Microsoft lässt die Krise kalt

Ein weiteres gutes Quartal trotz widriger ökonomischer Rahmenbedingungen: Microsoft zeigt sich zufrieden, konnte die Gewinnerwartungen aber nicht ganz erfüllen -- unter anderem wegen der Kosten für die Einigung mit AOL.

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Von
  • Jürgen Kuri
Eine starke Nachfrage der Kunden nach den neuen Server-Produkten habe die Umsätze im vierten Quartal nach oben getrieben; in jedem Geschäftsbereich habe man im gesamten Geschäftsjahr 2003 ein zweistelliges Umsatzwachstum erreicht: Mit recht stolz geschwellter Brust leitet das Microsoft-Management den Bilanzbericht über das vierte Quartal ein. Ein weiteres gutes Quartal also trotz widriger ökonomischer Rahmenbedingungen: Microsoft zeigt sich zufrieden. Allerdings konnte man die Prognosen zumindest beim Gewinn nicht ganz erfüllen, während der Umsatz ein gutes Stück über den Erwartungen lag.
Der Umsatz im vierten Quartal erreichte bei 8,07 Milliarden US-Dollar, ein Wachstum von 11 Prozent gegenüber dem Umsatz von 7,25 Milliarden US-Dollar im gleichen Quartal des Vorjahrs. Der Netto-Gewinn lag bei 1,92 Milliarden US-Dollar gegenüber 1,53 Milliarden US-Dollar in der Vorjahresperiode. Der Gewinn pro Aktie betrug damit 0,18 US-Dollar, wobei allerdings schon Belastungen von 0,05 US-Dollar pro Aktie für die Bereinigung der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit AOL und Kosten für andere juristische Streitigkeiten enthalten sind. Selbst diese Belastung herausgerechnet liegt der Gewinn mit 0,23 US-Dollar am unteren Ende der eigenen Prognosen Microsofts und einen Cent unter den Erwartungen der Analysten.
Im gesamten Geschäftsjahr 2003 betrug Microsofts Umsatz 32,19 Milliarden US-Dollar, ein Zuwachs um 13 Prozent gegenüber 2002. Der Nettogewin lag bei 9,99 Milliarden US-Dollar und damit bei 0,92 US-Dollar pro Aktie. Im Vorjahr lag der Gewinn bei 0,70 US-Dollar pro Aktie. Im vierten Quartal steckte Microsoft 1,34 Milliarden US-Dollar, 16,6 Prozent vom Umsatz, in Forschung und Entwicklung. Dies bedeutet einen Zuwachs um 13 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Für Vertrieb und Marketing gab Microsoft 2,10 Milliarden US-Dollar (26,1 Prozent des Umsatzes) aus, im Vorjahr waren es noch 1,54 Milliarden US-Dollar (21,3 Prozent des Umsatzes). Der Zuwachs sei vor allem durch eine 30-prozentige Steigerung der Marketingkosten verursacht, erklärte Microsoft.
49,048 Milliarden US-Dollar weist Microsoft in der Bilanz zum Ende Juni 2003 als Reserven in bar und in kurzfristigen Verbindlichkeiten aus -- und das trotz der ersten Dividendenausschüttung in der Geschichte des Unternehmens, die der Konzern überraschend nach dem zweiten Quartal ankündigte. Von einer neuerlichen Dividendenzahlung, wie zuvor bereits spekuliert, ist aber vorerst nicht die Rede. Nach den Erfahrungen, was die Einigung mit AOL kostete, will Microsoft erst noch den Ausgang anderer Rechtsstreitigkeiten abwarten, darunter eine Kartellrechts-Untersuchung durch die EU, der Rechtsstreit mit Sun und die immer noch nicht beendete Anti-Trust-Klage in den USA, die der Bundesstaat Massachusetts weiterführt.
Die Server-Sparte Microsofts erreichte im vierten Quartal ein Wachstum von 17 Prozent, wozu vor allem die Umsätze mit Windows-Servern (ein Plus von 24 Prozent) und mit dem SQL Server (ein Plus von 34 Prozent) beitrugen. Auch der im vierten Quartal veröffentliche Windows Server 2003 stoße auf großes Interesse bei den Kunden, betonte der Redmonder Konzern. Die Client-Systeme von Windows XP bis zum Tablet PC konnten im vierten Quartal um vier Prozent zulegen. Der Bereich Information Worker (unter anderem Microsoft Office) legte beim Umsatz um 8 Prozent zu. Alleine neue und erneuerte Lizenzabschlüsse über mehrere Jahre nach der umstrittenen Software Assurance sorgten hier für ein Umsatzplus von 5 Prozent. Business Solutions legte um rund 100 Prozent zu -- vor allem verursacht durch die Übernahme von Navision am Anfang des Geschäftsjahrs.
Besonders stolz zeigte sich Microsoft über den Online- und Web-Anbieter MSN, dessen Umsatz um 25 Prozent stieg. Dafür war allerdings vor allem der Zuwachs bei den Werbeeinnahmen (plus 48 Prozent) verantwortlich, während Konkurrenten wie etwa Yahoo vor allem darauf achten, dass neue Bezahldienste zum Haupt-Umsatzträger werden. Über den Bereich Home and Entertainemt, immer wieder Sorgenkind von Microsoft, mochte der Konzern dieses Mal ebenfalls nicht jammern: Ein Umsatzplus von 8 Prozent kann sich doch sehen lassen, meint man wohl in Redmond. Über genaue Verlust- und Gewinnrechnungen der Sparte, zu der neben den PC-Spielen auch die Xbox gehört, machte Microsoft in der vorgelegten Bilanz noch keine näheren Angaben. Seit dem Start der Spielkonsole 2001 habe man aber 9,4 Millionen Exemplare der Xbox verkaufen können; bis Ende des Geschäftsjahrs 2004 sollen es 14,5 bis 16 Millionen Stück werden. Der Online-Dienst Xbox Live hat zudem nach den Angaben aus Redmond mittlerweile weltweit 500.000 Abonnenten. Im Xbox-Bereich konnte Microsoft den Umsatz um 13 Prozent steigern, was der Konzern vor allem auf gestiegene Verkäufe von Xbox-Spielen zurückführte.
Neben allen Bilanzzahlen, Prognosen und Steigerungen bei Umsatz und Gewinn interessierte die Beobachter an den Börsen aber auch eines: Welche Auswirkungen haben die Änderungen in den Mitarbeiter-Aktienprogrammen? Vor der Vorstellung der Geschäftszahlen für das vierte Quartal gab es eine Menge durcheinander und die Temperaturen in der Gerüchteküche erreichten neue Rekordstände, was nicht nur an dem auch an der New Yorker Wall Street zu beobachtenden sommerlichen Wetter lag. Eine Revision der Gewinn-Prognosen für das Geschäftsjahr 2004 musste Microsoft vornehmen, da der Kontern in den Abschlüssen die Aktienprogramme als Kosten verbuchen wird -- was allerdings in diesem Fall vor allem eine bilanztechnische Angelegenheit ist und keine neuen Rückschlüsse auf das Wohl und Wehe von Microsoft notwendig macht.
Trotzdem befürchteten schon einige Analysten eine Schwächung des Kurses, da die Gewinn-Prognosen durch die Abschaffung des Aktienoptions-Programms schlechter als zuvor aussehen. Zumindest im Vorfeld der Bilanzvorstellung, bis zum Schluss des offiziellen Handels in New York, sank der Kurs der Microsoft-Aktie schon einmal um gut 3 Prozent auf 26,69 US-Dollar. Für das Jahr 2004 prognostizierte Microsoft nun bei einem Umsatz von 34,2 bis 34,9 Milliarden US-Dollar einen Gewinn von 0,85 bis 0,87 US-Dollar pro Aktie, wobei schon Belastungen von 0,24 US-Dollar für die Aktienprogramme eingerechnet sind. Im ersten Quartal 2004 soll bei einem Umsatz von 7,9 bis 8,1 Milliarden US-Dollar ein Gewinn von 0,23 US-Dollar pro Aktie anfallen, wobei man 0,06 US-Dollar Belastung für das Aktienprogramm berücksichtigte. Im nachbörslichen Handel konnte sich dann das Microsoft-Papier wieder leicht auf einen Kurs von 26,76 US-Dollar steigern, nachdem es zwischenzeitlich sogar wieder bei 27,52 US-Dollar stand: Besonders die übertroffenen Umsatz-Prognosen für das vierte Quartal und die angehobenen Umsatzerwartungen für das laufende Jahr beruhigten die Investoren -- und erinnerten sie wohl auch daran, dass die bilanztechnischen Auswirkungen des neuen Mitarbeiter-Aktienprogramms nun auch schon einige Zeit klar sind.
Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft in US-Dollar
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.