Milliardenpoker um Siemens-VDO vor Entscheidung

TRW, hinter dem der Investor Blackstone steht, und Conti wollen angeblich über 11 Milliarden Euro zahlen, um mit VDO zu einem der weltweit größten Auto-Zulieferer aufzusteigen. Für den neuen Siemens-Chef entwickelt sich VDO zur Bewährungsprobe.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Hoenig
  • Axel Höpner
  • dpa

Der Milliardenpoker um den Siemens-Autozulieferer VDO mit seinen 50.000 Beschäftigten steht vor der Entscheidung. Der Siemens-Aufsichtsrat entscheidet wahrscheinlich am Mittwoch dieser Woche, ob der geplante Börsengang durchgezogen oder das Unternehmen doch komplett verkauft wird. Der US-Zulieferer TRW, hinter dem die Investmentgesellschaft Blackstone steht, und der Autozulieferer Conti mit Sitz in Hannover sind laut Branchenkreisen bereit, deutlich über elf Milliarden Euro auf den Tisch zu legen – um mit VDO zu einem der weltweit größten Zulieferer aufzusteigen.

Der neue Siemens-Chef  Peter Löscher muss nur gut drei Wochen nach seinem Amtsantritt eine schwere Entscheidung treffen. Auf der einen Seite winken TRW/Blackstone und Conti mit dem großen Geld, das Deutschlands größter Elektrokonzern nach der Expansion in den vergangenen Jahren gut gebrauchen kann. Auf der anderen Seite aber gibt es heftigen Widerstand beim VDO-Management und bei Arbeitnehmervertretern gegen einen Komplettverkauf. Damit wäre die gute Stimmung, die seit Löschers Amtsantritt bei dem skandalgebeutelten Konzern herrscht, schon wieder dahin. Dennoch meint ein Branchenkenner: "Die ehrlichste Lösung wäre ein Komplettverkauf." Wenn Siemens bei einem Börsengang erst einmal die Mehrheit behalte, um dann am Ende doch schrittweise auszusteigen, sei dies nur eine Salami-Taktik.

Conti hatte von Beginn an keinen Hehl aus seinem Interesse gemacht. Bei Siemens sorgte das offensive Auftreten der Hannoveraner auch für Verstimmung. Schließlich trommelte Conti schon öffentlich, bevor es intensivere Gespräche mit Siemens gab. Auch jetzt zieht der DAX-Konzern alle Register und setzt unter anderem auf die nationale Karte. Bestimmte Schlüsselindustrien und -technologien dürften in Deutschland nicht verloren gehen, sagte Conti-Vorstand Karl-Thomas Neumann. Bei der speziell bei Siemens so mächtigen IG Metall ist Conti allerdings für viele noch immer ein rotes Tuch. Continental-Vorstandschef Manfred Wennemer gilt als knallharter Kostenmanager, der Konzern ist in den vergangenen Jahren vor allem im Ausland gewachsen, hat Fertigung in Billiglohnländer verlagert und profitable Produktionen im Inland dicht gemacht.

Allerdings weichen unter den Siemens-Arbeitnehmervertretern die Fronten gegen einen Komplettverkauf auf. Siemens- Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann ließ jedenfalls schon mal wissen, er werde als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender auch für den Komplettverkauf an einen Investor votieren – wenn das Angebot stimme und es gewisse Garantien für Arbeitsplätze und Standorte gebe.

In Branchenkreisen wird denn auch fest damit gerechnet, dass sich Siemens im Falle eines Komplettverkaufs vom Käufer entsprechende Garantien geben lassen wird und dafür auch bereit ist, auf die eine oder andere Million zu verzichten. Ein Debakel wie mit der ehemaligen Handysparte, die nur ein Jahr nach der Übernahme durch BenQ Pleite ging, will sich Siemens ersparen. Zwar ist VDO gesund und mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch nicht zu rechnen. Doch auch Werksschließungen oder ein drastischer Stellenabbau kurz nach dem Verkauf würden auf den Vorbesitzer Siemens zurückfallen.

Für Conti könnte es von Vorteil sein, nicht die einzige Alternative zu einem Börsengang zu sein. Blackstone, das über seine Zulieferertochter TRW bietet, ist eine jener Investmentgesellschaften, die Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) einst als "Heuschrecke" bezeichnet hatte. Und so sprach sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) – wenige Monate vor der Landtagswahl – aus Sorge um Arbeitsplätze gegen einen VDO-Verkauf an Blackstone aus. Eine Übernahme durch Conti dagegen wäre im Interesse der VDO- Beschäftigten – TRW übrigens reagierte mit Kritik auf diese Äußerungen. In Hannover macht noch ein anderes Szenario die Runde: Conti befürchte, nach einem möglichen Verkauf von VDO an die Amerikaner selbst ins Visier von TRW und Blackstone zu geraten – in diesem Fall könnte Conti zerlegt werden, mit unabsehbaren Folgen für die Beschäftigten. (Andreas Hoenig, Axel Höpner, dpa) / (jk)