Missing Link: Die Rettung des Internet Governance Forum

Seite 2: Machtlose Multi-Stakeholder

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Zusammen mit den USA unterstützten damals auch die europäischen Delegationen, dass das neue IGF keine Beschlüsse verabschieden sollte. Dafür durfte es aber einen aus Sicht der Vereinten Nationen geradezu radikalen Politikstil pflegen: Regierungen, die für den Betrieb der Ressourcen verantwortlichen Techniker, Unternehmen und die Zivilgesellschaft sollten sich als gleichberechtigte Teilnehmer treffen und sich ohne Verhandlungsdruck oder Legitimationsfragen über Probleme und Regeln fürs Netz besprechen.

"Würde man das IGF mit Entscheidungskompetenzen ausstatten, und die Qual klassischer internationaler Verhandlungen auferlegen, dann bekäme man ein ganz anderes Forum," sagte noch heute Chris Painter, ehemaliger Spitzenbeamter des US-Außenministeriums für den Bereich Cyber.

"Abschlusserklärungen, zumal verbindliche, passen nicht in ein solches Format," erklärt auch das BMWi auf Nachfrage, ob die deutschen Gastgeber mit dem Tabu brechen wollen. In Berlin ist man sich des Dilemmas bewußt: "Wenn am Ende die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ganz ohne Fazit auseinandergehen, schwindet die Relevanz einer solchen Veranstaltung", schreibt das Ministerium. Immerhin ein Abschlussdokument aus der Feder des deutschen Vorsitzes zu den wichtigsten Ergebnissen soll es geben. Möglich, so sagen Beobachter, dass es eigene Erklärungen der eingeladenen Parlamentarier aus verschiedenen Ländern oder der umtriebigen Zivilgesellschaft gibt. Eine erste Erklärung gibt es schon am Montag von der "Jugend" beim IGF.

UN-Untergeneralsekretär unseres Departments for Economic and Social
Affairs, Liu Zhenmin, sowie Chengetai Masango, IGF Program and
Technology Manager (beim IGF in Genf). Die beiden sind auch dieses Jahr
dabei.

(Bild: heise online/Monika Ermert)

Der unverbindliche Bericht des Vorsitzenden allein ist nicht genug, meint Aktivist Jeremy Malcolm. Malcolm, heute Geschäftsführender Direktor der Kinderrechtsorganisation Prostasia, gehört zu denen, die seit einem Jahrzehnt darauf hinweisen, dass Empfehlungen, wo möglich, zum ursprünglichen Mandat des IGF gehören.

Malcolm darf sich 10 Jahre später durch den Bericht einer vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, einberufenen Arbeitsgruppe bestätigt sehen, die dem IGF dringend Reformen empfahl. Aus dem IGF soll jetzt IGP-Plus werden und die Entwicklung von netzpolitischen Regeln soll Aufgabe des IGF werden. Es könnte, meint Malcolm, die letzte Gelegenheit für das IGF sein, Relevanz zurück zu gewinnen und ein Forum für Internet Governance zu werden. "Wenn das IGF diese Chance nicht ergreift, könnte es bedeutungslos werden", so Malcolm. Längst stünden private Unternehmen wie etwa Facebook mit seinem neuen "Oversight Board" bereit, selbst die Normen fürs Netz zu machen.

Nicht alle sehen die diskutierten Reformen und die neu erwachte Aufmerksamkeit der Regierungen fürs IGF ausnahmslos positiv. Milton Mueller, Professor am Georgia Institute for Technology und Gründer des Internet Governance Project sieht vor allem die High Level-Sitzungen mit Sorge, vor allem dann, wenn sie geschlossen abgehalten werden.

Glaubt man der Agenda von Berlin sind zwar nicht alle Regierungssitzungen geschlossene Veranstaltungen, aber schon Gastgeber Frankreich war mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Emmanuel Macron hatte das IGF parallel zu zwei weiteren Internetkonferenzen, einer hochrangigen Regierungskonferenz abseits des Forums der Vereinten Nationen, veranstaltet – und von dort seine Cybersicherheits-Erklärung fürs IGF mitgebracht.

"Wir glauben, das muss aufhören", fordert Mueller. Es wäre eine Verkehrung der Ursprungsidee des IGF, die Vernetzung von Internet Governance Stakeholdern über alle Grenzen hinweg zu erlauben. Genau diese Art des Austauschs sei unverzichtbar, um ein Übereinkommen auf Regeln zu erlauben, die nicht aufs Nationale beschränkt sind, so Mueller.