Missing Link: Eingefleischte Geheimniskrämer gegen moderne Geheimdienstaufsicht

Seite 2: Divide et Impera! Kooperieren verboten

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Die Schlagkraft der neuen Aufsicht im Angesicht des internationalen Datenmonopolys überzeugt viele Kritiker – auch innerhalb des Bundestages – keineswegs. Zu eingeschränkt ist das UGr in seinen Kontrollmöglichkeiten. Die Gründung des exklusiv für den Bundesnachrichtendienst zuständigen neuen Gremiums hat die Debatte um die Fragmentierung der deutschen Geheimdienstaufsicht noch mal so richtig angeheizt. Auch die Verfassungsrichter hakten nach. "Bedarf es gesetzlicher Maßnahmen gegen die Fragmentierungseffekte?", wollte Verfassungsrichterin Susanne Baer vom 1. Senat wissen.

Das UGr ist nämlich zur Geheimhaltung seiner Einsichten verpflichtet, nicht nur gegenüber Öffentlichkeit und Parlament, sondern auch gegenüber den anderen Aufsehern des BND, insbesondere der G10-Kommission. Bei der G10-Kommission muss der BND anfragen, wenn er deutsche Bürger, ausgenommen so genannte "Funktionsträger" – das sind deutsche Bürger, die für ausländische Firmen arbeiten – abhören will. Auch gegenüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, der dafür zuständig ist, die Sammlung, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten beim BND und den anderen Diensten zu überwachen, muss man stillhalten.

Allein das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags (PKGr), das einen breiteren Auftrag zur Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste – also BND, Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) – hat, wird zweimal jährlich vom UGr informiert. Die erzwungene Abschottung macht eine arbeitsteilige und effektive gemeinsame Aufsichtsarbeit für das UGr unmöglich und hat den Start der neuen Kontrolleure nicht erleichtert.

Dabei hat das Prinzip "Teile und herrsche" (divide et impera) in der deutschen Geheimdienstaufsicht klar Methode. Zwar vertrat der Vorsitzende des PKGr Armin Schuster (CDU) in Karlsruhe, dass beim PKGr die Fäden zusammenlaufen, sein Vorgänger und PKGr-Kollege André Hahn (Die Linke) will das so aber nicht bestätigen. Das PKGr weiß nicht, was die G10-Kommission auf den Tisch bekommt, und dann gibt es auch noch das Vertrauensgremium, das sich exklusiv um die finanzielle Ausstattung der Dienste kümmert.

Als PKGr-Vorsitzender habe Hahn das Teile-und-Herrsche-Prinzip in der Praxis beobachten können. "Dem PKGr sagte man, die finanzielle Ausstattung der Dienste ist nicht eure Zuständigkeit", so Hahn. Andererseits durfte das Vertrauensgremium auch nicht nachfragen, für welche Projekte die Haushaltstitel denn nun genau vorgesehen sind. Er sei gespannt, so Hahn, was das Verfassungsgericht dazu sage, dass man derart viele Kontrollgremien schaffe, die "eigentlich nicht miteinander sprechen dürfen."

Zweischneidig ist aus Sicht von Praktikern und Experten auch eine andere Ergänzung der Aufsichtsstruktur: Der im Zug der Geheimdienstreform 2016 ins PKGr-Gesetz geschriebene Ständige Bevollmächtigte bringt, zusammen mit dem aufgestockten Mitarbeiterstab, mehr Manpower für die parlamentarischen Kontrolleure. Als neues "Hilfsorgan" managt Arne Schlatmann seit 2017 strukturelle und Adhoc-Kontrollen des aufgestockten 30köpfigen Mitarbeiterstabes des PKGr.

Hahn und der Grüne Konstantin von Notz, Vizevorsitzender des PKGr, begrüßen, dass die Parlamentarier – und in Ausnahmefällen auch die Öffentlichkeit – mehr Informationen über die Arbeit und mögliches Versagen der Dienste, wie etwa im Fall des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz. Gerade im Zusammenhang mit dem Breitscheidplatz-Bericht hat die Opposition aber schon vor zwei Jahren gewarnt, der neue Bevollmächtigte könnte leicht zum Flaschenhals oder Vorfilter für die parlamentarische Kontrollarbeit werden.

In einem geharnischten Sondervotum hatte Hahn etwa geschrieben, dass der Ständige Bevollmächtigte die PKGr-Mitglieder über anstehende Zeugenbefragungen nicht informiert und ihnen damit auch die Möglichkeit genommen worden ist, die Dienste selbst ins Kreuzverhör zu nehmen. Zusammenfassungen der Befragungen habe es nicht gegeben. Eine durch den Ständigen Bevollmächtigten vorgenommene Vorsortierung von Information aber hält Hahn für ein strukturelles Problem. Das PKGr hängt damit am Tropf eines Stabes, über dessen Besetzung es zudem nicht mitentscheiden kann. Denn ein Vorschlagsrecht der Opposition für die Besetzung von Mitarbeiterstellen, beziehungsweise die Möglichkeit, eigene Zuarbeiter für ihre PKGr-Arbeit einzustellen, gibt es nicht.

Um effektiv kontrollieren zu können, fordert Hahn die Lockerung des Klagerechtes für die Minderheit im PKGr. Bislang braucht es im neunköpfigen Gremium, in dem vier Oppositionsmitglieder und vier Regierungsmitglieder sitzen, eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wenn sie sich gegen unzureichende Auskünfte durch die Bundesregierung wehren will.

Als größte Hürde für eine effektive Aufsichtsarbeit beklagten in Karlsruhe die Vertreter praktisch aller Aufsichtsgremien einhellig die Geheimnistuerei des BND, wenn es um die Zusammenarbeit mit fremden Nachrichtendiensten ging.

Das UGr, die PKGr, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz – unisono teilten alle mit, dass ihre Aufsicht endet, wo der BND darauf verweist, dass es sich um den Datenaustausch oder gemeinsame Aktivitäten mit der NSA, GCHQ oder anderen fremden Schlapphüten geht.

Etwas mehr als 50 Prozent der sogenannten Selektoren, der Suchbegriffe, mit denen der BND im Rahmen der strategischen Aufklärung die großen Datenmengen aus den Netzen durchkämmt, liefern ausländische Geheimdienste. Bei deren Stichproben-Prüfung wissen die UGr-Mitglieder laut Cirener nicht, von welchem Dienst die Begriffe stammen. Sie können lediglich prüfen, ob der jeweilige Dienst das Anforderungsformular korrekt ausgefüllt hat und ob Suchbegriffe einen Zusammenhang mit deutschen Grundrechtsträgern vermuten lassen.

Kernbereichsschutzentscheidungen etwa für die so abgehörten EU-Bürger obliegen dem fremden Dienst, berichtete Cirener. Einen echten Einblick bekommen die drei Kontrolleure hier kaum und auch die Vereinbarungen, die die deutschen Dienste mit den ausländischen treffen, bekommen sie nicht zu Gesicht. "Die Third-Party-Rule" – die Zusage des BND gegenüber den fremden Diensten, dass kein Dritter Einblick in die übermittelten Informationen bekomme – "ist das größte Hindernis", sagte Cirener. "Ich habe einen gesetzlichen Prüfungsauftrag, wenn ich dann Unterlagen nicht bekomme, kann ich den Befund einfach nicht erheben."

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe hakten bei diesem Punkt selbst gleich mehrfach nach. Wie stellen BND und Bundesregierung bitte fest, ob die übermittelten Informationen nicht dazu genutzt werden, um Menschenrechtsverletzungen zu begehen oder gar extralegale Hinrichtungen vorzubereiten? Man habe Gespräche mit sämtlichen Partnern geführt, in denen man das deutsche Verständnis von rechtsstaatlicher Verwendung dargelegt habe. Abgesehen von generellen Übereinkünften, werden alle übertragenen Datenpakete mit einem "Disclaimer" versehen. Der BND führt eine eigene Stichprobenanalyse auf Kernbereichs- oder G10-relevante, das heißt Bundesbürger betreffende Vertraulichkeitsverletzungen durch. Bei der standardmäßigen automatisierten Übermittlung stellt das selbst laut BND eine "gewisse Herausforderung" dar.

Letztlich müsse man auf ein "gewisses gegenseitiges Vertrauen" setzen, argumentierte die Juristin des Bundeskanzleramtes, in dem mittlerweile vier Referate sich mit den Fragen rund um die Dienste befassen. Wenn es Anhaltspunkte dafür gebe, dass vereinbarte Vorgaben von einem Partnerdienst nicht eingehalten würden, bringe man das zur Sprache. "Das kann dazu führen, dass man eine Zusammenarbeit aufkündigt," meinte die Vertreterin in Karlsruhe. Doch dafür gibt es keine aus Sicht des Kanzleramtes nennenswerten Beispiele.