Missing Link: Was ist eigentlich aus alten Smartphone-Betriebssystemen geworden?

Seite 5: webOS

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Kaum ein Unternehmen der IT-Branche hat eine so wechselvolle Geschichte hinter sich wie Palm. Mitte der 90er-Jahre brachte das erste wenige Jahre zuvor gegründete Unternehmen den PalmPilot auf den Markt, der den PDA-Markt wesentlich beeinflusste und als ein Vorgänger des Smartphones gilt. Mitte der 90er erlebte Palm eine wechselhafte Geschichte, die schließlich zur Geburtsstunde von webOS führte. Vorgestellt wurde das Betriebssystem im Januar 2009, zusammen mit dem Palm Pre.

Obwohl Palm viel Erfahrung mit Betriebssystemen und mit Palm OS eine weit verbreitete Plattform hatte, wurde webOS von Grund auf neu entwickelt. Als Basis fungierte ein Linux-Kernel, im Mittelpunkt standen die Bedienung per Touchscreen und wahlweise über physische Tasten sowie Multitasking. Letzteres galt in Bezug auf die Bedienoberfläche als das fortschrittlichste seiner Zeit. Auf Knopfdruck wurden alle laufenden Programme in Form von Karten angezeigt, zwischen denen man mit Wischgesten wechseln konnte.

Das Palm Pre mit WebOS.

In den ersten beiden Jahren brachte Palm insgesamt vier Smartphones mit webOS auf den Markt. Den Anfang macht im Juni 2009 das Palm Pre, es folgten im November das kleinere Palm Pixi sowie im Januar 2010 die leicht verbesserten Modelle Pre Plus und Pixi Plus.

Nach der Ăśbernahme von Palm durch HP erschien im Herbst 2010 das Palm Pre 2. Im Sommer 2011 folgten das HP Veer, das HP Pre 3 sowie mit dem HP TouchPad das erste Tablet mit webOS. Quasi mit dem Verkaufsstart des HP Veer und HP Pre 3 gab man bekannt, dass die PC-Sparte inklusive webOS verkauft werden solle.

Für das bereits in der Entwicklung befindliche webOS 4.0 sowie neue Smartphones und Tablets bedeutete das das abrupte Aus inklusive eines aufsehenerregenden Schlussverkaufs des TouchPads und Pre 3. Dabei sollte die neue Hardware webOS wieder attraktiver machen. Die teilweise Bedienung über physische Tasten war nicht mehr zeitgemäß, Android und iOS lockten mit großen, reinen Touchscreen-Smartphones. Auf diesen Zug wollte HP aufspringen, wenn man später aufgetauchten Dokumenten Glauben schenkt.

Zwar verzögerte sich die Aufteilung von HP bis 2015, doch webOS fand mit LG bereits Anfang 2013 einen neuen Eigentümer. Zunächst sollten lediglich Fernseher mit dem Betriebssystem laufen. Dafür überarbeitete LG in erster Linie die Bedienoberfläche sowie die Bedienphilosophie, übernahm dafür etwa die Multitasking-Funktion.

Anfang 2015 wurde dann das erste mobile Gerät seit Sommer 2011 gezeigt. Im Januar präsentierte LG zusammen mit Audi einen namenlosen Prototypen, Ende Februar wurde daraus die Watch Urbane LTE. Dass hier anders als bei der gleichzeitig vorgestellten Watch Urbane nicht Android Wear zum Einsatz kam, begründete das Unternehmen seinerzeit mit der LTE-Integration sowie einigen abweichenden Bedienmöglichkeiten.

Doch mit der Ankündigung der Uhr endete das Kapitel webOS auf Mobilgeräten auch wieder. Im Handel landete die Watch Urbane LTE nie. Beim wenige Monate später vorgestellten Nachfolger setzte LG auf Android Wear. LG experimentiert mit dem Einsatz des Betriebssystems, beispielsweise in smarten Kühlschränken. Zuletzt kündigte LG auf der IFA 2019 einen smarten Kühlschrank mit webOS an.

Die LG Watch Urbane: Eine chice Uhr, die niemals erschienen ist.

(Bild: LG)

Die im März 2018 angekündigte Open-Source-Version webOS OSE hat bislang für keinen Schub gesorgt. Entwickler haben mit ihr Zugriff auf den Quellcode, Werkzeuge sowie die Dokumentation und werden von LG mit Updates versorgt.

In Zukunft soll webOS, vermutlich in Form von webOS OSE, auch in IoT-Geräten als Betriebssystem zum Einsatz kommen. Treibende Kraft dahinter ist Qualcomm. LG selbst arbeitet darüber hinaus an einem Ableger für die Automobilbranche, vor allem für Infotainmentsysteme. Smartphones und Tablets mit webOS sind derzeit nicht geplant. Dennoch lebt das Betriebssystem zumindest in Teilen weiter. So wurden die Multitasking-Ansichten in Android und iOS unübersehbar von webOS inspiriert. Mit LuneOS gibt es zudem ein Open-Source-Betriebssystem, das sich optisch an webOS orientiert.

Egal ob Tizen, Firefox OS, webOS oder BlackBerry OS – vergeblich war ihre Entwicklung in keinem Fall: Tizen ist das Alles-Betriebssystem für Samsung geworden, für alle Geräte der Koreaner, die keine Handys oder Tablets sind. Firefox OS bildet die Grundlage von KaiOS und lebt so auf Millionen Feature-Phones weiter. WebOS konnte die Irrungen von Palm und HP überstehen und hat die Nische in Fernsehern von LG gefunden. BlackBerry OS bildet die Grundlage für viele Car-Infotainment-Systeme und fährt so in Millionen Autos mit. Sie sind keine iOS- oder Android-Killer geworden, aber auch keine Versager. (str)