Netz-Neutralität kein großes Thema am Tsunami Tuesday

Am heutigen "Super-Dienstag" stimmen die Mitglieder der beiden großen US-Parteien in 24 Bundesstaaten über ihren Präsidentschaftskandidaten ab. Technikthemen stehen bei dem auch im Netz geführten Wahlkampf nicht ganz oben auf der Agenda der Bewerber.

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Super war gestern. Mindestens "Super-Duper", "Giga" oder sogar "Tsunami" ist der heutige Dienstag, zumindest im aktuellen Sprachgebrauch der amerikanischen Medien. Der Tag gilt wegen der vielen Bundesstaaten, in denen die Mitglieder der großen Parteien ihren Präsidentschaftsanwärter wählen sollen, als vorentscheidend für die Kandidatenkür. In den Vorwahlen werden die Delegierten für den Nominierungsparteitag gewählt, der dann den Präsidentschaftskandidaten bestimmt. Am Super-Dienstag geht es für die Demokraten um 1681 Delegierte; 2025 Stimmen braucht ein Kandidat zur Nominierung. Die republikanischen Kandidaten wetteifern um 1020 von 1191 nötigen Stimmen. Wer am "Tsunami Tuesday" in den 24 Bundesstaaten die meisten Parteitagsdelegierten hinter sich bringen kann, darf sich deshalb als heißer Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im November 2008 fühlen. Der Wahlkampf wird an allen Fronten geführt, neben dem Fernsehen gewinnt dabei auch das Internet an Bedeutung.

Doch eine klare Vorentscheidung ist nicht unbedingt zu erwarten. Zumindest bei den Demokraten ist das Rennen ziemlich offen. Hillary Clinton, Senatorin (New York) und Ex-First-Lady, liegt bei den bisher gesammelten Delegiertenstimmen vor Senator Barack Obama (Illinois). Auch in den Umfragen zum Super Tuesday lag Clinton vorne. Doch Obama holt merklich auf und konnte den Abstand den jüngsten Umfragen zufolge verkürzen. Auch bei der Grand Old Party, wie die Republikaner genannt werden, läuft es auf einen Zweikampf zwischen Sentor John McCain (Arizona) und dem ehemaligen Gouverneur von Massachussetts, Mitt Romney, hinaus. Dem dritten republikanischen Bewerber, Mike Huckabee, werden nur noch Außenseiterchancen zugerechnet. Er könnte sich nach dem heutigen Wahlmarathon aus dem Rennen verabschieden.

Der Wahlkampf wird mit allen Mitteln und dem Einsatz von Millionen US-Dollar geführt. Die Kriegskasse von Clinton und Obama ist prall gefüllt, beide haben insgesamt über 100 Millionen US-Dollar Spenden gesammelt und nach CNN-Angaben noch 37 Millionen (Clinton) bzw. 18 Millionen US-Dollar (Obama) in der Hand. Enger sieht das schon für McCain und Romney aus, deren flüssige Mittel auf jeweils unter 3 Millionen US-Dollar zusammengeschmolzen sind – allerdings akquirieren alle Kandidaten weiter Spenden. Ein substanzieller Teil der Spenden kommt aus dem Netz. Von den 32 Millionen US-Dollar, die Obamas Kampagne im Januar erhalten hat, wurden laut Tech Crunch 28 Millionen online gespendet. Dabei darf man nicht vergessen, dass der eigentliche Präsidentschaftswahlkampf erst noch kommt.

Doch geben die Kandidaten auch viel Geld im Netz aus. Das geht weit über die eigene Website hinaus, die natürlich jeder Kandidat haben muss. In gewisser Einförmigkeit werden da Themen gesetzt, Spenden gesammelt und die Trommeln gerührt. Doch geht es diesmal – vor allem für Clinton und Obama – um junge Wähler. Die wähnen die Wahlkampfstrategen im Netz an Orten wie MySpace, Facebook und YouTube. Das Videoportal hat zusammen mit dem Dauerwahlkampfsender CNN alle Kandidaten ins Web 2.0 gebracht und dort mit den Fragen der Wähler konfrontiert. Obama, Clinton und McCain tummeln sich auch in Facebook und werben dort um Unterstützung. Gemessen an den Facebook-Freunden ist der Demokrat Obama eindeutig der Favorit der 2.0-Generation. Von Clinton gibt es ein populäres YouTube-Video, das der berüchtigten Schlussszene der letzten Folge der US-Serie "The Sopranos" nachempfunden ist.

Auch über das offizielle Campaigning hinaus hat das Netz eine wesentliche Bedeutung für den Wahlkampf. Die in den USA traditionell starken (und sich nach zahllosen virtuellen Grabenkämpfen in inniger Feindschaft verbundenen) Polit-Blogs auf beiden Seiten des Spektrums haben sich eine wichtige Position als Meinungsführer und -macher erarbeitet. In den Blogs geht es dann manchmal auch um die Themen, die in den traditionellen Medien nur wenig Beachtung finden. Die dominierenden Themen dieses Wahlkampf sind – nach dem bewährten Clinton-Motto It's the economy, stupid – die schwächelnde US-Wirtschaft, das Gesundheitssystem, die Immigration und der Irak-Krieg. Fragen, die den kundigen Netz-Nerd vielleicht interessieren, kommen dabei oft zu kurz.

Dabei haben die Kandidaten zu einigen der aktuellen Technik-Themen durchaus eine dezidierte Meinung. Besonders interessiert wird beobachtet, wie sich die potenziellen Präsidentschaftsbewerber in der Debatte um die Netzneutralität positionieren. Während sich Clinton und Obama klar für einen offenen Zugang zum Netz aussprechen und der Regulierungsbehörde FCC dafür auch die nötigen gesetzlichen Befugnisse geben wollen, drückt sich McCain um eine klare Aussage und will das lieber den Marktkräften überlassen. Huckabee hat sich zu dem Thema bisher nicht klar geäußert. Der Ausbau der Breitband-Infrastruktur ist für alle Kandidaten ein wichtiges Anliegen.

Auch in den USA wird eine Debatte um Vorratsdatenspeicherung geführt. Die Regierung Bush befürwortet, dass Provider oder Diensteanbieter gesetzlich gezwungen werden sollen, Daten über ihre Kunden zu sammeln. Während Obama solchen Plänen eine klare Absage erteilt, spricht sich Clinton für eine verfassungsgemäße Lösung aus, die dem Schutz der Kinder vor Übergriffen im Netz dient. McCain bleibt in dieser Frage vage, er versteht die Bedenken der Branche hinsichtlich der Machbarkeit ebenso wie die Befürworter.

In der sensiblen Frage nach einer Präzisierung des US-Copyrights spricht sich nur Obama explizit für eine legale Privatkopie von geschützten Inhalten aus. Clinton verspricht, sich mit einer Reihe von Copyright-relevanten Themen zu beschäftigen, solange die nicht den Urheberschutz aushebeln oder der Rechtsverletzung Vorschub leisten. McCain sieht in dem Schutz des geistigen Eigentums eine der wichtigsten Aufgaben des digitalen Zeitalters, seiner Ansicht nach darf das Schutzbedürfnis aber nicht dazu führen, dass Innovation behindert wird.

Deutlich ist die Position der demokratischen Kandidaten auch in der Affäre um die US-Telekommunikationsriesen, die dem Inlandsgeheimdienst NSA ohne gerichtliche Kontrolle Zugang zu den Netzen gewährten. Clinton und Obama sind gegen eine rückwirkende Amnestie der Unternehmen, während McCain ein Pardon nicht ausschließt, das er aber mit einem drohenden Zeigefinger verbunden wissen will.

Im Wahlkampf auf der Straße zählt neben den Positionen zu den Hauptthemen auch die Frage, wen man auf die Bühne holen kann. Obama hat gerade in Kalifornien, wo am heutigen Dienstag in beiden Parteien die meisten Delegiertenstimmen zu vergeben sind, viele prominente Unterstützer: Robert DeNiro ist Zeichen der breiten Zustimmung, die Obama in Hollywood findet. Doch manchmal spaltet die Politik Familien. Die First Lady des Bundesstaates, Maria Shriver, entstammt dem Kennedy-Clan und trommelt wie Senatslegende Ted Kennedy für Obama, der schon mal zum modernen JFK hochgejazzt wird. Ihr Gatte, Gouverneur Arnold Schwarzenegger, spricht sich für McCain aus.

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