Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Kritik und Korrekturbereitschaft im Bundestag

Seite 2: Im Zweifel für die Meinungsfreiheit

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Onlinefirmen wie GMX, Web.de oder Xing sollten nicht unter das Gesetz fallen, erläuterte der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner: Die Koalition habe in ihrem eigenen, die Regierungsinitiative aufgreifenden Entwurf in der Begründung den Anwendungsbereich konkretisiert. Generell müsse "im Zweifel müsse für die Meinungsfreiheit entschieden werden". Die Sozialdemokraten seien bereit, in den weiteren Beratungen die ein oder andere Präzisierung möglicherweise auch im letztlich entscheidenden Gesetzestext vorzunehmen.

Lars Klingbeil ging diese Ansage als SPD-Netzexperte nicht weit genug. Er sagte zu: "Wir werden die vielen Bedenken ernst nehmen" und Änderungen vornehmen. So müsse der Auskunftsanspruch auf einen kleineren Kreis von Straftaten eingegrenzt, ein Richtervorbehalt eingeführt werden. Das Bußgeld sei zu konkretisieren, der Kreis der Betroffenen klar abzustecken, die Möglichkeit der regulierten Selbstregulierung offen zu prüfen. Zugleich beklagte er ein "Hin und Her" beim Koalitionspartner, was es schwierig mache, den Entwurf weiter zu beraten.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) zeigte wenig Änderungsbereitschaft beim Auskunftsanspruch. Die Anonymität müsse ein Ende haben, wenn es um "krasse Rechtsverletzungen" gehe, unterstrich die Rechtspolitikerin. Dieser Schutzmantel habe dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle im Netz gesunken sei. Sie verwies darauf, dass einige Bundesländer den Anwendungsbereich ausweiten und den Entwurf generell verschärfen wollten. Auch die Christdemokratin erwähnte aber die Option, "mehr Selbstkontrolle einzubringen ähnlich zur Altereinstufung für den Jugendschutz im Filmbereich".

Das Modell der Beschwerdestellen könnte ein Vorbild sein, ergänzte der CSU-Digitalpolitiker Hansjörg Durz. Eine "vom Staat regulierte, von Unternehmen finanzierte Instanz" würde dann die Sachverhalte prüfen. In vielen Fällen sei die Grenze zwischen der Meinungsfreiheit und der Verletzung von Persönlichkeitsrechten fließend. "Ein Löschen auf Vorrat darf und wird es mit uns aber nicht geben", versicherte der Christsoziale. Es müsse auch im Gesetzestext deutlich werden, dass "keine E-Mail-Dienste oder Bewertungsportale betroffen sind". Laut seiner Parteikollegin Nadine Schön "hatte die Fraktion immer eine einheitliche Meinung" zu dem Thema und diese in einem Papier festgehalten. Dieses hätte Maas als Grundlage nehmen sollen. CDU und CSU hätten sich auch "einfach mehr Zeit gewünscht".

Branchenverbände und Bürgerrechtler warnen angesichts der geplanten Regeln seit Längerem vor einer privaten "Inhaltepolizei" mit hohen Missbrauchsrisiken. Mittlerweile haben zahlreiche Organisationen von der Amadeu-Antonio-Stiftung über Bitkom, Chaos Computer Club (CCC), Digitale Gesellschaft und eco bis zu Reporter ohne Grenzen und Wikimedia Deutschland eine breite Allianz geschlossen. Sie fordern in einer "Deklaration für die Meinungsfreiheit", einen Schnellschuss zu vermeiden, einen runden Tisch einzurichten und das Gesetzgebungsvorhaben kritisch zu überdenken. (vbr)