Netzwerkdurchsetzungsgesetz vs. regulierte Selbstregulierung

Seite 2: Nicht Löschung, sondern Prozess entscheidend

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Dass die Bußgelder einen solchen Effekt haben müssten, bezweifelte Thomas von Danwitz, Kammerpräsident am Europäischen Gerichtshof. So sehe der aktuelle Gesetzentwurf hohe Strafen nur vor, wenn sich ein Unternehmen weigere, überhaupt die notwendigen Beschwerdeprozesse einzurichten. Auch werde von den Unternehmen nicht verlangt, dass die ähnlich kompetent und sorgfältig argumentieren müssten wie Gerichte, wenn sie über die Löschung von Inhalten entschieden. So genüge es dem Gesetz, wenn einige Mitarbeiter mehrheitlich entschieden, ob ein Inhalt eindeutig rechtswidrig sei.

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Der Richter warnte auch davor, die vorhergehende EuGH-Entscheidung, die das so genannte Recht auf Vergessen begründet hatte, zu verabsolutieren. So habe das Gericht keineswegs vorgehabt, unangenehme Äußerungen im Internet gänzlich zu unterbinden. Das durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union begründete Löschverbot sei eben nur auf Suchmaschinen bezogen gewesen. Gehe es hingegen um Beiträge in sozialen Netzwerken, sei auch das Recht eines Nutzers auf freie Meinungsäußerung abzuwägen. "Wir haben uns bemüht darauf hinzuweisen, dass es auf die spezielle Kollisionslage der Interessen ankommt", betonte der Richter.

Doch diese allgemeinen Erwägungen beruhigten Branchenvertreter nicht. Marie-Teresa Weber, die beim Branchenverband Bitkom für Medienpolitik verantwortlich ist, machte handwerkliche Fehler des Gesetzentwurfs geltend. So sei das Bußgeld in einem ersten Entwurf auch für falsche Einzelfallentscheidungen vorgesehen gewesen. Auch kurz vor der geplanten Abstimmung Ende Juni im Bundestag sei auch immer noch unklar, ob das Gesetz nur für eine Handvoll Plattformen oder für eine unüberschaubare Anzahl von Unternehmen gelten würde.

Auch Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, bezweifelte den dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers. So sei zum Beispiel überhaupt nicht klar, wie groß das Problem überhaupt sei. Eine Regelung, die zu einer schnellen Löschung zweifelhafter Beiträge führe, sei auch kontraproduktiv: "Der Täter versteht nicht, warum sein Beitrag gelöscht wird". Dies verfestige den Eindruck einer gesteuerten Zensur, die legitime Kritik unterdrücke. Die Täter würden nicht damit konfrontiert, dass sie eine Straftat begangen hätten. Deshalb plädierte Schmid dafür, die bestehenden Gesetze häufiger anzuwenden.

Als Alternative zum jetzt vorliegenden Netzwerkdurchsetzungsgesetz plädierte Schmid zudem für ein Modell regulierter Selbstregulierung, ähnlich dem System des Jugendschutzes. So könnten Anbieter unter staatlicher Aufsicht einen Kodex für ihre Plattformen entwickeln und gemeinsame Stellen schaffen, die in schwierigeren Fällen über die Zulässigkeit von Beiträgen entschieden. Die staatliche Medienaufsicht könne die Effektivität eines solchen Systems überprüfen. Ein solches Konzept wurde auch von mehreren anderen Teilnehmern des Kölner Mediensymposiums unterstützt.

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(kbe)