Neuer EU-Kurs: Mit Websperren und Staatstrojanern gegen Terror
Vertreter des Parlaments und des Rates der EU haben sich auf einen "Kompromiss" bei der geplanten Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung geeinigt. Rechtswidrige Systemeingriffe und Datenabgriffe sollen als Terrorstraftaten gelten.
Die EU-Staaten sollen den Kampf gegen Terrorismus im Internet deutlich verschärfen. Dies sieht der "Kompromisstext" für eine Richtlinie vor, auf den sich die Verhandlungsführer des EU-Parlaments und des Ministerrates zusammen mit Abgesandten der Kommission vorige Woche geeinigt haben. Laut dem Geheimpapier, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch online gestellt hat, werden selbst gerichtlich nicht angeordnete Websperren als legitimes Mittel gegen extremistische Propaganda angesehen.
Die Mitgliedsstaaten werden zwar angehalten, zunächst die "nötigen Maßnahmen" zu ergreifen, um Aufrufe zu terroristischen Handlungen im Internet im In- oder Ausland löschen zu lassen. Sollte dies aber nicht machbar oder erfolgversprechend sein, können sie bereits Blockaden der inkriminierten Seiten anstreben. Die ergriffenen Mittel müssen nur auf "transparenten Verfahren" beruhen und ausreichende Schutzvorkehrungen enthalten, also etwa auf das "notwendige und verhältnismäßige" Maß beschränkt sein. Ferner soll die Möglichkeit bestehen, Rechtsmittel gegen Sperren und Löschungen einzulegen.
Provider als Hilfs-Sheriff
Der vorherige Parlamentsbeschluss hatte die EU-Regierungen zumindest noch aufgefordert, "alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen", um Terrorhetze an der Quelle aus dem Web zu bekommen. Der überarbeitete Entwurf, der noch von Vollversammlungen von Rat und Parlament bestätigt werden muss, ermuntert die Internetindustrie zudem dazu, "freiwillig" gegen den Missbrauch ihrer Dienste vorzugehen sowie terroristische Inhalte aufzuspüren und entsprechend zu kennzeichnen. Eigentlich sind die Provider nach EU-Recht nicht dazu verpflichtet, solche Hilfs-Sheriffsleistungen durchzuführen.
"Rechtswidrige Systemeingriffe" und das illegale "Abfangen von Daten" müssen die Mitgliedsländer der Initiative zufolge als terroristische Straftaten fassen und entsprechend schwer bestrafen. Gegen Verdächtige sollen die Sicherheitsbehörden gemäß den Erläuterungen neben kleinen und großen Lauschangriffen auch Staatstrojaner einsetzen dürfen, um eine geheime "elektronische Überwachung" von Gefährdern durchführen zu können. Generell sollen die EU-Staaten verhindern, dass im Netz Botschaften verbreitet werden, die zu Terrorismus anstiften oder Anschläge verherrlichen. Wer ein Handbuch zum Bombenbau herunterlädt, um einen Terrorakt auszuführen, könnte sich im Sinne der Richtlinie strafbar machen. (axk)