Nobelpreis für Literatur geht an Doris Lessing

Die begehrteste Literatur-Auszeichnung erhält in diesem Jahr die britische Schriftstellerin Doris Lessing, die vor allem durch ihr Hauptwerk "Das goldene Notizbuch" bekannt ist.

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Die englischen Buchmacher lagen wieder falsch: Der Literatur-Nobelpreis 2007 geht nicht an den amerikanischen Autor Philip Roth. Das immer für eine Überraschung gute Auswahlkomitee verlieh den renommierten Preis der britischen Schriftstellerin Doris Lessing. Die Autorin, als deren Hauptwerk das 1962 erschienene "Das goldene Notizbuch" gilt, sei eine "Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat", begründete das Komitee die Entscheidung in einer knappen Mitteilung.

Zu den Hauptthemen Lessings gehört das Verhältnis zwischen Mann und Frau. "Das Goldene Notizbuch" verhalf Lessing endgültig zum Durchbruch und ist längst ein Klassiker der feministischen Literatur. Lessing erhielt zahlreiche Literaturpreise und Auszeichnungen, darunter der Somerset Maugham Award (1954), der Los Angeles Times Book Prize (1995) und der S.T. Dupont Golden PEN Award (2002).

Lessing wurde 1919 im damaligen Persien geboren und wuchs später in der britischen Kolonie Rhodesien (Simbabwe) auf. Ihre Kindheit auf dem afrikanischen Kontinent arbeitete sie in ihrer 1994 erschienenen Autobiografie "Under My Skin" (Unter der Haut) auf. Nach ihrem Umzug nach London erschien ihr erster Roman "The Grass is Singing" (Afrikanische Tragödie), der sich mit unüberbrückbaren Rassenkonflikten befasst, im Jahr 1949 in England. Zuletzt erschien 2007 ihr Roman "The Cleft" (Die Kluft).

Der Nobelpreis für Literatur wird seit 1901 – mit Unterbrechungen vor allem in den Weltkriegen – jedes Jahr vergeben. Nach dem testamentarischen Willen des schwedischen Preisstifters Alfred Nobel (1833–1896) erhält derjenige den Preis, "der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealistischer Richtung hervorgebracht hat". Es soll von sehr hohem literarischen Rang sein und dem Wohle der Menschheit dienen. Im vergangenen Jahr bekam der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk den Nobelpreis. Der von der Schwedischen Akademie vergebene Preis ist inzwischen mit 10 Millionen Schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert. Er wird jeweils am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters, in Stockholm überreicht.

Mit der diesjährigen Entscheidung hat das Nobelpreis-Komitee nach den Entscheidungen für Elfriede Jelinek, Harold Pinter und Pamuk wieder einmal seine Unberechenbarkeit unter Beweis gestellt. Neben Roth, dem das Schicksal des ewigen Favoriten beschieden zu sein scheint, wurden in diesem Jahr der israelische Schriftsteller Amos Oz und der Japaner Haruki Murakami als heiße Kandidaten gehandelt. Auch andere Namen wurden von den Medien ins Spiel gebracht: der Italiener Claudio Magris, der Südkoreaner Ko Un oder Antonio Lobo Antunes aus Portugal, der auch als Dauerkandidat gilt. Auch die Namen John Updike, Thomas Pynchon, Don DeLillo und Joyce Carol Oates kamen mal wieder auf, aber nach Meinung einiger kritischer Beobachter sind diese Autoren wie der große alte Mann der US-Literatur mit dem Makel versehen, Amerikaner zu sein.

Die Arithmetik der Vorhersagen geht dabei von angeblichen Entscheidungsgrundsätzen aus, die vom Sprecher des Auswahlkomitees alljährlich freundlich, aber bestimmt zurückgewiesen werden: Einen Länderproporz oder gar eine Abneigung des Komitees gegen Amerika gebe es nicht. Ob nun Länder- und Kontinentalquote, Frau oder Mann, politische Entscheidung oder nicht – das Komitee trifft die Auswahl aus einer Vorschlagsliste mit 20 Namen. Philip Roth kann sicher sein, dass er dort auch im nächsten Jahr wieder aufgeführt wird.

Zu der Bekanntgabe der bisherigen Nobelpreise 2007 siehe:

(vbr)