Nord Stream: Warum die Gasstrudel nicht abgefackelt wurden

Aus den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 sind erhebliche Mengen Methan entwichen. Durch Abfackeln wäre der Umweltschaden geringer gewesen, sagen Experten.

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Einer Gasstrudel von Nord Stream

Aus Whirlpool-artigen Strudeln entwich Ende September 2022 das Methan der Nord Stream-Pipelines in die Atmosphäre

(Bild: Schwedische Küstenwache)

Lesezeit: 3 Min.

Im Juli 2021 gingen infernalisch aussehende Bilder um die Welt: Im Golf von Mexiko war es zu einer Beschädigung an einer Unterwasser-Pipeline gekommen. Ausströmendes Gas geriet an der Meeresoberfläche in Brand. Es entstand der Eindruck eines brennenden "Höllenstrudels" im Wasser, wie Medien titelten. Im Falle der durch Sabotage schwer beschädigten Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 wären solche Bilder für die Umwelt besser gewesen als die des harmloser aussehenden Whirlpool-artigen Gasaustritts, sagen Experten. heise online fragte bei der schwedischen Küstenwache nach, ob in Betracht gezogen wurde, das Gas abzufackeln.

Nach der Zerstörung der Rohre an mehreren Stellen nahe der dänischen Insel Bornholm stiegen Methanblasen an die Meeresoberfläche. Das hochgradig klimaschädliche Gas konnte in die Atmosphäre entweichen. Die internationale Beobachtungsstelle für Methanemissionen bei den Vereinten Nationen kommt in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass zwischen 75.000 und 230.000 Tonnen Methan ausgetreten sind. Es handelte sich um Erdgas, das aus betrieblichen Gründen in den ansonsten zuvor stillgelegten bzw. niemals in Betrieb genommenen Pipelines vorgehalten wurde.

Das Abfackeln (engl. flaring) von überschüssigem Methan ist gängige Praxis, sagte ein Leser, der seit Jahrzehnten in der Energiewirtschaft tätig ist, heise online. Denn abgefackelt wird aus Methan (CH₄) Kohlendioxid (CO₂). Der Umweltschaden sei so deutlich geringer. Die Klimawirksamkeit von Methan liege 28- bis 34-fach über der von Kohlendioxid, schreibt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in einer Studie zur Klimarelevanz von Methanemissionen. In der Gas- und Erdölförderung, aber auch bei Leitungsschäden wird das Restgas deshalb abgefackelt, um es nicht in die Atmosphäre entlassen zu müssen. "Das ist, auch wenn es für Außenstehende nie so aussieht, Umweltschutz", sagt ein Experte.

Dass die Idee, ein Gasleck abzufackeln, nicht aus der Luft gegriffen ist, bestätigt auch das Havariekommando des Bundes auf Nachfrage. Zum konkreten Fall kann die Behörde allerdings keine Aussagen tätigen, da es für den Schadensfall in der Ostsee nicht zuständig war und auch von den dänischen und schwedischen Behörden nicht hinzugezogen wurde. Die gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer ist seit dem Jahr 2003 für das gemeinsame Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee zuständig. Schäden an einer Pipeline sind dabei auch eine mögliche Einsatzlage.

Die schwedische Küstenwache erklärte auf Anfrage, dass das Abfackeln des austretenden Methans an Nord Stream in Betracht gezogen wurde, um die Klimaschäden zu verringern. Am Ende habe man sich aber entschieden, darauf zu verzichten, "da die Sicherheit nicht gewährleistet werden konnte", wie Nina Andersson, Leiterin des Referats Recht und Sicherheit, heise online sagte, ohne weiter auf Details einzugehen.

Die entscheidende Frage dürfte nach Expertensicht vor allem die gewesen sein, wie man das Gas überhaupt gefahrlos hätte anzünden sollen. Wegen des massiven Austritts warnten die Behörden tagelang vor den Gefahren für den Schiffsverkehr und richteten Sperrzonen um die Austrittsgebiete ein. Da der Methanaustritt durch Nord Stream nach Ansicht der Vereinten Nationen in seiner Größenordnung weltweit seinesgleichen sucht, gab es hier keine vergleichbaren Erfahrungswerte.

(mki)