Nord Stream: Hinweise auf ökologische Katastrophe unter Wasser

Die Ostsee ist für Meerestiere ohnehin ein schwieriger Lebensraum. Die Explosionen von Nord Stream hatten massive Auswirkungen, warnen Forscher.

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Ausströmendes Methan aus der zerstörten Nord-Stream-Pipeline entwich Ende September aus der Ostsee in die Atmosphäre.

(Bild: Schwedische Küstenwache)

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Die Explosion der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 hat sich offenbar auch massiv auf den Lebensraum der Meeresbewohner ausgewirkt. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler aus Dänemark, Polen und Deutschland in einer Studie, deren Ergebnisse sie jetzt veröffentlicht haben. Risiken bestehen demnach vor allem für Schweinswale und Kabeljau. Das genaue Ausmaß der Schäden wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Sorge bereiten auch chemische Kampfstoffe, die sich in der Nähe befinden, und die durch die Druckwelle der Explosion aufgewirbelt wurden.

"Der Bericht ist für die Ostsee äußerst besorgniserregend, denn er zeigt, dass die Explosion den Zustand eines Meeresgebiets verschlimmert, das sich bereits in einem sehr ernsten und kritischen Zustand befindet", sagte Maria Reumert Gjerding, Präsidentin der Dänischen Gesellschaft für Naturschutz, dem dänischen Rundfunk (DR). Erst vor Kurzem wurden Schätzungen veröffentlicht, in welchem Umfang das klimaschädliche Methan aus den beschädigten Rohren entwichen ist.

Die Wissenschaftler haben sich für die Studie mit den Auswirkungen der Druckwellen und Explosionsgeräusche beschäftigt. Ende September 2022 waren die Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm mit Sprengladungen schwer beschädigt worden. Wer hinter dem Sabotageakt steckt, ist bis heute unbekannt. Die unabhängig voneinander geführten Ermittlungen von Deutschland, Dänemark und Schweden dauern an.

Unweit der Explosionsorte befindet sich eine große chemische Munitionsdeponie, in die im Jahr 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg 11.000 Tonnen chemische Kampfstoffe entsorgt wurden. Die Pipelines seien mit Blick auf die Umweltauswirkungen extra um diese herumgebaut worden, obwohl die Querung der schnellste und einfachste Weg gewesen wäre. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Druckwelle rund 250.000 Tonnen stark kontaminierter Sedimente aufgewirbelt wurden, die sich erst nach einer Woche wieder am Boden setzten. Innerhalb eines Radius von 20 Kilometern wurden 39 Wasserproben entnommen, in denen messbare Rückstände chemischer Kampfstoffe nachgewiesen werden konnten. Dazu zählten vor allem TBT, das die Fortpflanzung von Fischen beeinträchtigen kann, Blei und weitere chemische Verbindungen.

Die Karte zeigt die Explosionsorte nahe der dänischen Insel Bornholm, den Standort der chemischen Kampfstoffe und wie weit kontaminierte Sedimente aufgewirbelt wurden.

Die Gewässer nahe Bornholm werden vom Kabeljau in der Ostsee traditionell gerne als Laichplatz genutzt. Die Explosionen ereigneten sich zum Ende der Kabeljau-Saison, die von März bis September andauert.

Auch auf Seehunde, Robben und Schweinswale könnten sich die Detonationen schadhaft ausgewirkt haben. Tiere, die sich in einem Umkreis von vier Kilometern um die Explosionsorte befanden, seien von der Druckwelle mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet worden. Vorübergehende Auswirkungen auf das Hören und damit auch auf die Fähigkeit, sich zu orientieren, hatten die Explosionen in einem Radius von 50 Kilometern.

Damit liegt auch ein bei Schweinswalen zwischen Mai und Oktober beliebter Treffpunkt in den schwedischen Hoheitsgewässern im betroffenen Gebiet. Es sei wahrscheinlich, dass sich Ende September Tiere in der Gegend, die sich 40 Kilometer nördlich der Explosionsorte befindet, aufhielten und betroffen sein könnten. Die Population der Schweinswale in der Ostsee umfasse nur noch 500 Tiere. Deshalb sei diese Art stark gefährdet und schon die Tötung eines einzelnen Tieres könnte massive Auswirkungen auf den gesamten Bestand haben, warnen die Forscher.

(mki)