Nordamerika: Viel Küste, wenig Offshore-Windkraft

Seite 2: Canada

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Beim nördlichen Nachbarn Kanada kommen für Offshore-Windkraft vor allem drei Regionen in Frage: Ontario, die Pazifik-Provinz Britisch-Kolumbien, sowie die Atlantik-Region bestehend aus den Provinzen Neufundland und Labrador, Neuschottland, Prinz-Eduard-Insel und Neubraunschweig. Die Territorien im Norden haben zwar auch Meeresküsten, sind aber so wie der US-Staat Alaska zu dünn besiedelt.

In Ontario waren einige Projekte in Arbeit, doch 2011 hat die damalige liberale Provinzregierung die Reißleine gezogen. Sie verhängte ein Verbot über Offshore-Windräder und musste seither Millionenentschädigungen an überrumpelte Investoren zahlen. Als Grund für das Moratorium wurden ein Mangel wissenschaftlicher Forschung über die Auswirkungen der großen Windräder sowie Widerstand der Bevölkerung angeführt. Die aktuelle konservative Provinzregierung macht keine Anstalten an dem Verbot zu rütteln. Ontario setzt auf Atomkraft.

Britisch-Kolumbien erzeugt etwa 98 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, vorwiegend Wasserkraft. Ein großes Wasserkraftwerk namens Site C soll ab 2024 zusätzlich 5.100 GWh Strom jährlich liefern. Dazu kommen in der bergigen Provinz erhebliche unerschlossene Reserven aus Wasserkraft, Windkraft und Geothermie, die näher an den zu versorgenden Stromkunden liegen als etwaige Offshore-Windräder und Strom wesentlich billiger erzeugen.

Nun gibt es in Britisch-Kolumbien zwar eine Reihe von Küstensiedlungen, die nicht ans überregionale Stromnetz angeschlossen und daher in vielen Fällen auf subventionierten Diesel als Stromquelle angewiesen sind. Doch diese Siedlungen sind für Offshore-Windparks viel zu klein. Primed, eine Initiative der Hauptstadtuniversität Victoria, setzt sich für Entwicklung und Installation von Wellenkraft-Anlagen für diese schwer erreichbaren Siedlungen ein.

Einen etwas größeren Strombedarf hat die Inselgruppe Haida Gwaii (Queen Charlotte Inseln), wo immerhin an die 5.000 Menschen leben. Es gibt zwei separate Stromnetze, von denen eines ausschließlich aus Dieselgeneratoren gespeist wird. Zudem gilt die seichte Hecate-Straße östlich Haida Gwaiis als einer der windbeständigsten und windreichsten Orte der Erde. Da ist es kein Wunder, dass eine Firma namens Nai Kun seit nunmehr 15 Jahren versucht, einen Offshore-Windpark zu errichten.

Der Strom sollte sowohl nach Haida Gwaii als auch ans Festland geliefert werden. Nai Kun hat auch eine Genehmigung für 40 Windräder erwirkt. Doch die Haida, die Ureinwohner Haida Gwaiis, waren nicht überzeugt. Zudem müsste der Stromversorger der Provinz, BC Hydro, viel Geld in die Hand nehmen. Zunächst müsste eine lange Stromtrasse über Land und am Meeresboden errichtet werden, um den Strom zu weit entfernten Bevölkerungszentren zu bringen. Und ohne hohen Einspeisetarif wäre der Betrieb der Offshore-Windräder nicht profitabel. Beide Posten würden den allgemeinen Strompreis der Provinz erhöhen, was lange politisch nicht opportun war.

Als die sozialdemokratische NDP im vorigen Jahr die Provinzwahlen gewinnen konnte, keimte bei Nai Kun Hoffnung auf. Die NDP regiert Britisch-Kolumbien erstmals mit Duldung der Grünen. Im Windschatten dieser politischen Neuerungen konnte Nai Kun den großen dänischen Offshore-Windparkbetreiber Ørsted als Partner gewinnen. Doch Mitte Oktober wurde diese Partnerschaft wieder beerdigt. Ørsted konzentriert sich lieber auf Offshore-Windfarmen in den USA.

Bruce Cameron, Principal Consultant bei Envigour Policy Consulting, auf der Marine Renewables Canada 2018

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Blieben in Kanada also die Atlantik-Provinzen als Standort für Offshore-Windparks. "Neufundland (und Labrador) hat überschüssigen Strom, sobald das Muskrat-Falls-Wasserkraftwerk ans Netz geht", berichtete Bruce Cameron vom Energieberater Envigour Policy Consulting. Gleichzeitig sinke der Stromverbrauch Neufundlands, das Bevölkerungsabwanderung und erheblichen Budgetdefizits zu kämpfen hat.

Muskrat Falls wird vor allem für den Export gebaut. Der Strom wird ab 2020 oder 2021 fließen und durch die Nachbarprovinz Neuschottland in die USA geleitet werden. Im Gegenzug für Investitionen in die Leitungen erhält Neuschottland einen Teil der Wasserkraft. Damit wird auch diese Provinz ihre Klimaziele weit übererfüllen.

Seit 1974 betreibt der neufundländische Stromversorger Nalcor das Wasserkraftwerk Churchill Falls, das heute mit über 5,4 Gigawatt Kapazität das zweitgrößte Wasserkraftwerk Kanadas ist. Churchill Falls soll fast ein Prozent der weltweiten Wasserkraft erzeugen. Dieser Strom wird zu einem Fixpreis vor allem nach Quebec exportiert, doch der Vertrag läuft 2042 aus. Dann wird Neufundland noch mehr überschüssigen Strom haben. Investitionen in wesentlich teurere Offshore-Windanlagen stehen daher nicht auf dem Programm der finanziell angeschlagenen Provinz.