Nordamerika: Viel Küste, wenig Offshore-Windkraft

Seite 3: Festland-Windkraft noch nicht ausgebaut

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Neubraunschweig, das im wesentlichen auch die Prinz-Eduard-Insel mitversorgt, plane ebenfalls ausreichend erneuerbare Stromquellen, ohne auf Offshore-Wind angewiesen zu sein. "Und bereits jetzt fallen die Preise für Wind- und Sonnenstrom", berichtete Cameron. Ein neues Festland-Windkraftprojekt in den USA verkaufe seinen Strom zukünftig für nur noch 3 US-Cent pro Kilowattstunde. Zudem garantiere Hydro Quebec neuerdings niedrige Wasserkraftpreise auch in langfristigen Verträgen, was die Wettbewerbssituation für Windkraft deutlich verschlechtere.

Solle es dennoch Windkraft sein, würde Ostkanada wohl zuerst mehr Festland-Generatoren bauen. Sie sind deutlich günstiger zu errichten und mit Stromleitungen zu erreichen; und anders als in den USA gibt es noch jede Menge windreiche, unerschlossene Standorte.

Der Export von Windenergie in die USA scheidet aus einem banalen Grund aus: Die Zielvorgaben der nordöstlichen US-Staaten für erneuerbaren Strom können ausschließlich mit im Inland produziertem Strom erreicht werden. Kanadischer Windstrom, egal ob Onshore oder Offshore, würde nicht zur Quote zählen. Er müsste daher so billig verkauft werden, dass sich die Investitionen nicht rechneten.

Anders als bei Gezeitenkraft und Wellenkraft sieht Cameron auch keine sekundären Anreize für Offshore-Windkraft. Neuschottland hat viel Geld in die Unterstützung von Gezeitenkraft gesteckt. Und obwohl der bislang einzige Strom liefernde Gezeitenkraftbetreiber pleite gegangen ist, hat Energieminister Derek Mombourquette auf der Marine Renewables Canada am Mittwoch angekündigt, die junge Branche weiter kräftig zu unterstützen. In Britisch-Kolumbien liegt der Schwerpunkt derweil auf zukünftiger Verstromung der in Meereswellen enthaltenen Energie.

Miriam Noonan, Financial Analyst bei Offshore Renewable Energy Catapult, auf der Marine Renewables Canada 2018

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

"Das Ziel der Unterstützung der Gezeitenkraft in Neuschottland ist, Fachkenntnis zu entwickeln und dann weltweit zu exportieren", erklärte Cameron. "Das Gleiche gilt wohl nicht für Wind." Denn die Entwicklung von Windkraft sei bereits weit gediehen. Anstatt Subventionen in die Entwicklung eigener Expertise für Offshore-Windparks zu stecken ist Kanada besser beraten, im Windschatten der USA auf weitere Kostensenkungen bei den riesigen Anlagen zu warten.

Miriam Noonan, Finanzanalystin des britischen Forschungszentrums Offshore Renewable Energy Catapult, nannte auf der Konferenz noch einen weiteren Grund, warum Gezeitenkraft und Offshore-Wind für Regierungen deutlich attraktiver sind: "Eine wichtiger Vorteil von Meeresenergie ist, dass sie sich lokal niederschlägt. Sie hat große Auswirkungen auf die Region", in Form von Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Mehrwert. "Während Offshore-Windkraft (lokal) keine Arbeitsplätze bringt", sagte Noonan.

Die Wartezeit auf günstigere Technik möchte Cameron gut investiert wissen: Die Zuständigkeit für Windkraft-Anlagen zwischen der kanadischen Bundesregierung und den Atlantikprovinzen sei umstritten. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sollte eine Einigung erzielt werden, um diese Investitionshürde zu beseitigen.

Gleichzeitig könnten notwendige Daten erhoben werden: "Die für die Küstengewässer Kanadas verfügbaren Winddaten sind durchgehend auf Meereshöhe. Bei den Offshore-Windrädern mit 200, 300 Meter Rotordurchmesser brauchen sie aber Daten in der Höhe", sagte Cameron im Gespräch mit heise online.

Mit der in Kanada angestrebten Elektrifizierung von Heizungen und Fahrzeugen gibt es dann vielleicht doch noch einen Markt für große Windparks vor Kanadas Küsten. "Sie können glaubwürdig argumentieren, dass wir in diesem Land nie wieder ein großes Wasserkraftwerk bauen werden", sagte Cameron. Enorme Budgetüberschreitungen und heftiger Widerstand eines Teils der Bevölkerung gegen die großen Neubauprojekte Muskrat Falls, Site C, sowie Keeyask in Manitoba machten weitere Großprojekte unwahrscheinlich.

Gegen Offshore-Windparks gibt es bislang keine nennenswerten Bürgerproteste in Kanada. Allerdings gibt es dazu auch keinen wirklichen Anlass. (ds)