Österreichs Innenminister will Messenger ausspionieren

Österreichs Geheimdienste sollen mehr Befugnisse erhalten, Malware einschleusen und WLAN-Catcher nutzen dürfen. Das beantragt die Regierungspartei ÖVP.​

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Bronzestatue eines Paparazzo

(Bild: Kurt Bauschardt CC BY-SA 2.0)

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Malware durch Steuergeld finanzieren und im Staatsauftrag einsetzen – das würde eine Gesetzesnovelle erlauben, die der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in öffentliche Begutachtung geschickt hat. Damit möchte der rechtskonservative Politiker dem Geheimdienst Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) erlauben, fremde Computersysteme, darunter Handys, Tablets und Cloudserver, zu infizieren, um dann Nachrichten vor Verschlüsselung oder nach Entschlüsselung auszuspionieren. Dabei hat sich der Sicherheitsrat, ein beratendes Gremium der Regierung hat, gerade erst gegen solche Bundestrojaner ausgesprochen.

Ausgeweitet werden soll der Einsatz falscher Mobilfunksender, sogenannter IMSI-Catcher. Gleichzeitig würden falsche WLAN-Hotspots (WLAN-Catcher) legalisiert, um Endgeräte und deren Datenverkehr direkt ausspionieren (und wohl infiltrieren) zu können, ohne Hilfe des Netzbetreibers. Findet der Geheimdienst bei seiner Arbeit zufällig Hinweise auf andere Straftaten, soll er diese Daten ohne Beweisverbot an andere Sicherheitsbehörden weiterreichen. Hinzu tritt eine Erweiterung des Vorrangs der Geheimdienste: Unter gewissen Umständen darf die Polizei nicht einschreiten, und die Kriminalpolizei keine Ermittlungen aufnehmen, wenn dies bestimmte Arbeiten des Geheimdienstes DSN behindern könnte.

Die Grünen, Koalitionspartner der ÖVP (Österreichische Volkspartei), sprechen von einer "heiklen legistischen Frage" und wünschen sich eine "breite Diskussion". Jedermann kann bis 25. September Stellung zu dem Gesetzesentwurf nehmen. "Sollte dem Bundesministerium für Inneres bis zu diesem Termin keine Stellungnahme zukommen, wird davon ausgegangen, dass keine Bedenken gegen die Bestimmungen des Entwurfes bestehen", sagt das Ministerium.

Hintergrund des Anlaufes des ist einerseits der Wahlkampf: Am 29. September wählt Österreich einen neuen Nationalrat, die bedeutendere Kammer des nationalen Parlaments. Dabei möchte sich die ÖVP als einzige Sicherheitspartei positionieren. Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS lehnen den Gesetzesvorschlag ab, und eine Verabschiedung vor der anstehenden Wahl geht sich sowieso nicht aus. Er Entwurf ist sicherlich Grundlage für schnelle Beschlüsse oder Koalitionsverhandlungen nach der Wahl.

Andererseits wurden gerade zwei Burschen festgenommen; einer von beiden steht unter dem Verdacht, mittels Stichwaffen und eines selbst zu bastelnden Sprengsatzes einen Terroranschlag auf ein Popkonzert Taylor Swifts in Wien geplant zu haben. Dass er zum Bau eines wirksamen Sprengsatzes tatsächlich in der Lage war, ist zweifelhaft. Der zweite Festgenommene steht unter dem Verdacht der Mitwisserschaft und Unterstützung.

Das Motiv ist nur bedingt geklärt. Die beiden Österreicher sollen sich online radikalisiert und zum Islamischen Staat bekannt haben; konkrete Verbindungen zu der Organisation werden ihnen nicht nachgesagt.

Die ersten Hinweise sollen im Juli von einem ausländischen Geheimdienst an den österreichischen Militärgeheimdienst Heeresnachrichtenamt ergangen sein, Anfang August wurde dann auch die zivile DSN informiert. Der ausländische Dienst soll seine Erkenntnisse, soweit bekannt, ohne Entschlüsselung verschlüsselter Messenger-Nachrichten erlangt haben; das hindert die ÖVP nicht daran, die DSN zu Beschaffung und Einsatz von Bundestrojanern ermächtigen zu wollen.