Österreichs Innenminister will Messenger ausspionieren

Seite 2: Die Highlights des Ministerialentwurfs

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Hauptaufgabe der DSN sind laut Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz (SNG) die "erweiterte Gefahrenerforschung und Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen". Der Ministerialentwurf will die dafür gewährten Befugnisse ausdehnen und geht weit über die Legalisierung staatlich finanzierter Malware (Bundestrojaner) hinaus.

Die Novelle würde den Begriff des "verfassungsgefährdenden Angriffs" erweitern, den Geheimdienst also für neue Bereiche zuständig machen. Neu enthalten wäre (nebst bestimmten Verstößen gegen das Waffengesetz in größerem Umfang oder als illegaler Waffenhändler) die Teilnahme an einer extremistischen Verbindung, die "religiös motiviert" ist, aber nicht zu den bereits jetzt erfassten staatsfeindlichen Bewegungen noch den terroristischen Vereinigungen zählt.

Zentral für die Kompetenzen der DSN ist Paragraph 11 des SNG. Diese Bestimmung erlaubt derzeit Beschattungen, verdeckte Ermittlungen, heimliches Abhören und Filmen, den Einsatz falscher Mobilfunksender (IMSI-Catcher) und das Besorgen allerlei Daten von Webseitenbetreibern und Telecom-Anbietern – aber nur, wenn andere Ermittlungsmethoden aussichtslos wären. Der Minister möchte diese Einschränkung aufheben. Nicht erlaubt ist die Ermittlung von Kommunikationsinhalten. Auch das möchte der Minister ändern.

Bereits jetzt darf die DSN Daten über und von Reisenden und Mitreisenden, Ausweisdokumenten, sowie Kfz-Kennzeichenscannern ohne Berücksichtigung von Alternativen auswerten. In Zukunft wären der DSN zusätzlich verdeckte Ermittlungen, falsche Mobilfunksender, falsche WLANs, die Ortung von Handys und Computern, sowie Datenbesorgung bei Webseitenbetreibern und Telecom-Anbietern ohne diese Einschränkung erlaubt. Zur Abfrage von Zugangsdaten wie Usernamen und Passwörtern, Standortdaten und Verkehrsdaten wäre in bestimmten Fällen notwendig, dass dies "erforderlich erscheint", um einem verfassungsgefährdenden Angriff, dessen Verwirklichung mit mehr als einjähriger Haftstrafe bedroht ist, vorzubeugen. Daraus ergibt sich, dass die übrigen Spionagemethoden auch dann zulässig wären, wenn sie nicht erforderlich erscheinen.

Beschattungen und heimliches Abhören und Filmen wären zulässig, wenn andere Methoden zwar aussichtsreich, aber wesentlich mühsamer wären. Die rechtlichen Erleichterungen für das Eindringen in die Privatsphäre von Bürgern begründet das Ministerium mit dem absurden Argument, dadurch unterstreichen zu wollen, wie schwerwiegend die neu hinzukommenden Eingriffe sind.

Neu hinzu käme die Befugnis des Abhörens von Nachrichteninhalten. Dazu erforderlich ist die Genehmigung eines Gerichts, allerdings nicht etwa eines Strafgerichts, sondern der erst vor wenigen Jahren eingeführten Bundesverwaltungsgerichte. Ausdrücklich vorgesehen ist die heimliche Installation von Malware auf fremden Geräten (Bundestrojaner) für bis zu drei Monate.

Nachrichten abzuhören soll die DSN nur dann, wenn andere Ermittlungsmethoden aussichtslos wären – außer, der Geheimdienst hört Nachrichten dazu ab, um einen Weg zu finden, die Malware auszuwählen und zu installieren. Dazu dürfte er auch abhören, wenn andere Methoden aussichtsreich wären. Die Spione müssten ihre Arbeit übrigens nichts alleine tun. Wie bereits aus China bekannt, dürften sie private Dritte dazu zwingen, heimlich mitzuwirken. Anders als von der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gewünscht, wäre es der DSN laut Begleittext nicht erlaubt, zur Installation der Malware Behältnisse zu durchsuchen oder in vom Hausrecht geschützte Räume einzudringen. Die Installation soll vielmehr in öffentlichen Räumen erfolgen, oder mittels von organisierten Kriminellen gekauften Sicherheitslücken aus der Ferne.

Ergibt sich aus den abgehörten Nachrichten ein Hinweis auf von einem bestimmten Menschen geplantes oder begangenes Verbrechen gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit oder Vermögen, hätte die DSN Polizei oder Staatsanwaltschaft zu verständigen. Beweisverbote sind nicht vorgesehen. Ergibt sich hingegen der begründete Verdacht auf einen anderen verfassungsgefährdenden Angriff als für den, auf den sich die Genehmigung des Verwaltungsgerichts bezieht, müsste die DSN keinen zweiten Beschluss erwirken; zur weiteren Verarbeitung reichte die Zustimmung des nicht unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums.

Derzeit sieht das SNG einen gewissen Vorrang der DSN gegenüber strafrechtlicher Verfolgung der Täter vor. Finden die Spione Hinweise auf andere Vergehen, die keine verfassungsgefährdenden Angriffe sind, können sie der Kriminalpolizei für bis zu sechs Monate untersagen, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Das soll die geheimen Ermittlungen schützen. Der Ministerialentwurf würde diesen Vorrang deutlich ausweiten: Die DSN soll der ordentlichen Polizei verbieten können, gefährliche Angriffen zu verhindern oder zu stoppen, solange keine Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter besteht. Außerdem soll die DSN der Kriminalpolizei untersagen können, überhaupt eigene Ermittlungen einzuleiten, sofern damit keine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit Dritter ist, oder durch die kriminalpolizeilichen Ermittlungen ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person entstehen würde, die auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.

Der Entwurf soll ausdrücklich die Befugnisse des österreichischen Geheimdienstes für Ermittlungen gegen sogenannte verfassungsgefährdende Angriffe abwenden. Im Sicherheitsrat hat die ÖVP allerdings ein Paket aufgelegt, das auch Verschärfungen der des Vereinsrechts, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, obligatorische Untersuchungshaft und die Stärkung von Extremismusprävention vorsieht – zusätzlich zu den erweiterten Geheimdienstbefugnissen samt Bundestrojaner. All das hält der Sicherheitsrat allerdings nicht für zielführend und lehnt es ab.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat diese Empfehlung als "Feiertag für Terrorismus und die organisierte Kriminalität" getadelt. Die neuen Befugnisse sollen sich also nicht auf die Bekämpfung von Terrorismus beschränken.

(ds)