Online Ad Summit: Was kommt nach den Cookies?

Vor der Dmexco beschäftigte sich die Branche mit dem Sterben der Cookies. Einerseits will man um Vertrauen werben, zum anderen Browser-Blockaden umgehen.

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Online Ad Summit: Was kommt nach den Cookies?

(Bild: alphaspirit/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Wie soll die Werbebranche reagieren, wenn Browser wie Apples Safari und Mozilla Firefox immer mehr Cookies blockieren? Auf dem Online Ad Summit in Köln diskutierten die Vertreter von Publishern, Agenturen und Werbeplattformen über die Zukunft des Werbegeschäfts unter erschwerten Bedingungen.

Besonderer Anlass zur Sorge sind die neuen Anti-Tracking-Funktionen von Firefox und Safari. Nach Angaben von Jens Pöppelmann vom RTL-Vermarkter IP Deutschland decken die beiden Browser bei seinem Unternehmen bereits 45 Prozent der Kunden ab. Auch die immer weiter fortschreitende Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) samt erster Urteile sorgen für Probleme in der Branche, weil sich einige Grundannahmen als nicht rechtssicher herausgestellt haben. Die Stimmung der Branche schwankt zwischen demonstrativer Gelassenheit und beginnender Panik.

Google-Managerin Katharina Arntzen beschwichtigte, dass Cookies weiterhin ein Bestandteil des Chrome-Browsers bleiben.

(Bild: Torsten Kleinz)

Google-Managerin Katharina Arntzen versicherte in Köln, dass der Konzern nicht vorhabe, die Cookie-Technik in absehbarer Zeit aufs Abstellgleis zu schieben. Zwar hat auch Google Einschränkungen des Trackings in Chrome für das erste Quartal 2020 angekündigt – radikale Schritte wie bei Apple oder Mozilla plane man jedoch vorerst nicht. Das Blockieren von Third-Party-Cookies will Google nicht als Voreinstellung aktivieren.

Alwin Viereck von United Internet Media zeigte aber, dass die Lage schon heute für manche Bereiche dramatisch sei. So sei laut Statistiken der Publisher inzwischen bei 80 Prozent der Firefox-Installationen der Tracking-Schutz aktiviert. Die Auswirkungen seien gerade im deutschen Markt enorm. So betrage der durchschnittliche Marktanteil von Firefox in Deutschland 26 Prozent – deutlich mehr als in den USA oder im europäischen Ausland.

Zwar verhindert Firefox damit nicht explizit die Werbeauslieferung, doch immer weniger Werbetreibende haben Interesse, nicht-personalisierte Werbung auszuspielen. So sinke der Tausenderkontaktpreis auf die Hälfte, wenn Cookies nicht gesetzt werden könnten oder am Ende des Tages gelöscht werden. Selbst zu den reduzierten Preisen könnten viele Werbeplätze kaum besetzt werden, weil die Anzahl der Gebote drastisch einbreche. Folge sei im Endeffekt ein Umsatzverlust von 15 Prozent für die deutschen Publisher.

Die Vertreter der Werbebranche sprechen dabei den Browser-Herstellern die Legitimität ab, in ihr Geschäft einzusteigen. Zwar erkannten einige Vortragende an, dass die personalisierte Werbung teilweise aus dem Ruder gelaufen sei und dass die Industrie das Nutzervertrauen verspielt habe. Im Prinzip sei die Grundkonstruktion des Werbemarktes aber immer noch stabil und die Nutzer durchaus bereit, sich Werbung anzusehen, weil sie die Informationen auf Webseiten für wertvoll halten oder die Notwendigkeit zur Finanzierung des freien Webs einsehen. Die Werbemarkt-Anbieter wollen etwa mit Mozilla über eine technische Möglichkeit verhandeln, ihre Cookies dennoch durch die Cookie-Protection zu schleusen, wenn denn ein Nutzerkonsens vorliege.

Weiter ging Stefan Mölling von der Axel Springer-Tochter Media Impact. "Die Mozillas dieser Welt bevormunden sowohl die Nutzer als auch die Gesetzgeber", erklärte er. Deshalb gelte es einen neuen branchenweiten Schulterschluss zu suchen, um auch die Politik davon zu überzeugen, dass hier eine Regulierung der Browser zugunsten der Werbefinanzierung notwendig sei. Mölling forderte einen neuen Schulterschluss der Branche, um die Relevanz der Werbefinanzierung zu betonen. Auch Facebook-Manager Oliver Busch beklagte, dass die Politik eine populistische Haltung einnehme. "Wir verkaufen keine Drogen auf dem Schulhof, sondern wir machen personalisierte Werbung", betonte er.

Die Alternative zu Cookies ist nach Überzeugung der Adtech-Branche kein Verzicht, sondern eine Verlagerung des Trackings. So stellte Carol Starr vom Adtech-Anbieter Rubicon Project ein System auf Basis des Open-Source-Projects Prebid.js vor. Indem Publisher es auf ihren Servern installieren, könnten sie die Nutzer-IDs eines Nutzers auch ohne Third-Party-Cookies ermitteln und als First-Party-Cookie im Browser des Nutzers setzen.

Es ist schon ein eifriger Wettbewerb ausgebrochen, wer denn die zentrale Rolle einer solchen serverseitigen ID-Verwaltung übernehmen könnte. So ist bereits ein halbes Dutzend Anbieter im Markt, hinzu kommen noch Unternehmen, die probabilistisches ID-Management betreiben – also über Techniken wie Browser-Fingerprinting versuchen, die Identität eines Nutzers möglichst genau zu bestimmen. Die Zukunft dieser Anbieter ist aber auch fraglich: So hatte sich auch Google bei der neusten Initiative um die Privacy Sandbox strikt gegen solche Techniken ausgesprochen. Eine weitere diskutierte Möglichkeit ist, die Werbeauslieferung direkt bei den Inhalteplattformen anzusiedeln, sodass keine externen Adserver mehr benötigt werden.

Dass ein System allein den gesamten Netzmarkt abdecken könnte, glaubt jedoch augenscheinlich niemand. So verwiesen mehrere Anbieter darauf, dass die Zukunft in der Zusammenarbeit liege. Dazu müsse allerdings das Cookie-Durcheinander beseitigt werden, sodass man nur noch fünf bis sechs Cookies abgleichen müsse, um einen Nutzer quer durch die Wertschöpfungskette sicher zu identifizieren.

Problem dabei: Durch das Abgleichen von Cookies verschwindet das Argument, dass Cookies keine personalisierten Daten sind – eine wichtige Unterscheidung auch bei der lange überfälligen E-Privacy-Verordnung. Bereits heute ist die Sicherstellung des Nutzer-Konsenses kaum rechtssicher möglich. So hat die IAB Ende August eine zweite Version ihres "Transparency and Consent Frameworks" vorgestellt, bei dem detailliert die Nutzerzustimmung für verschiedene Verwendungen abgefragt und an Werbepartner übertragen werden soll. Noch fehlen aber wesentliche Teile dieses Systems. Unklar ist etwa noch, wie denn Verstöße gegen die Regularien geahndet werden sollen.

Neben der Umgehung der Cookie-Bloackaden könnten aber auch Werbeformen eine Renaissance erleben, die auf weniger Datenhandel angewiesen sind und bei den Nutzern besser ankommen. So zeigte Marcus Veigel von Cynapsis Interactive, dass es mit mobilen Werbeformen neue Möglichkeiten gebe, die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen und auch direkt zu Käufen zu animieren.

Auch Arne Steinmetz verwies auf das Potenzial nicht-programmatisch ausgespielter Werbung. So hätten Verlage heute eine sehr gute Vorstellung davon, welches Publikum auf bestimmte Inhalte zugreife. Alleine schon aus Gründen der Brand Safety habe man in den vergangenen Jahren die eigenen Plattformen genau unter die Lupe genommen und die Inhalte vermarktungsreif kategorisiert – so wollten Sonnenmilchhersteller nicht unbedingt neben Artikeln zu Hautkrebs werben. "Wir hatten schon, bevor die Daten kamen, gute Geschäftsmodelle – und die haben wir auch heute noch", sagte Steinmetz. Kernproblem dabei ist, die Werbekunden davon zu überzeugen, dass die Verlage ebenso gute Ergebnisse liefern könnten wie die globale Datensammlung durch Konzerne wie Google oder Facebook. (olb)