Organisierte Kriminalität: Faeser greift Verschlüsselung und Bargeld an

Die Innenministerin will, dass Sicherheitsbehörden verdeckt in die IT-Systeme von Anbietern verschlüsselter Kommunikationsdienste eingreifen können.

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(Bild: lisyl/Shutterstock.com)

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"Die kriminellen und weitverbreiteten Strukturen der Schweren und Organisierten Kriminalität (OK) bedrohen uns alle: die Menschen, den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft." Mit dieser Ansage beginnt die neue Strategie zur OK-Bekämpfung, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) vorgestellt hat. Teil der darin vorgeschlagenen 20 Maßnahmen: ein erneuter Angriff auf Verschlüsselung und die Einführung einer Bargeldobergrenze von deutlich unter 10.000 Euro.

Das Limit für den Fluss anonymen Geldes "verringert die Gefahr, die Herkunft großer Vermögenswerte zu verschleiern", heißt es in der Position des Bundesinnenministeriums (BMI). So müssten "große Transaktionen künftig auf nachvollziehbaren Finanzwegen erfolgen". Die allgemeine Grenze gelte es daher nun "umgehend europaweit einzuführen und national umzusetzen". Für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hatte zuvor bereits die EU-Kommission eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro gefordert.

Das ausgemachte "Problem" von zunehmender Verschlüsselung zieht sich durch mehrere Punkte des Papiers. "Die Täter-Kommunikation digitalisiert und verlagert sich immer weiter auf Krypto-Messengerdienste", heißt es etwa beim Ruf nach einer "zentralen Informations-, Daten- und Auswerteplattform". Wenn es europäischen Sicherheitsbehörden in Fällen wie EncroChat, Sky ECC oder Anom gelinge, einschlägige Kommunikation zu dekryptieren und abzuschöpfen, "müssen auch in Deutschland große Datenmengen – zur Strafverfolgung wie zur Abwehr künftiger Straftaten – aufbereitet, analysiert und ausgewertet werden".

Mit der angestrebten Analyseplattform sollen daher ressourcenschonende und IT-basierte Lösungen etwa mithilfe "zielgerichteter Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI-Tools)" ermöglicht werden. Datenschützer warnen dagegen seit Langem, dass Strafverfolger nicht mit KI über große Datenmengen "fahren" dürften, da sonst die Unschuldsvermutung flöten gehe.

Schon der Einleitung ist zu entnehmen: Gerade die Auswertung kryptierter Kommunikation habe bereits "zu wichtigen Erkenntnissen geführt", deren Verwertbarkeit vor Gericht aber noch höchstrichterlich geklärt werden muss. Entsprechende Daten habe das BKA seit Anfang 2020 "durch europäische und internationale Partner erhalten und gemeinsam mit den Bundesländern ausgewertet". Sie gäben einen "bedeutsamen Einblick in Teilbereiche der OK und verdeutlichen eindringlich, wie intensiv die Möglichkeiten kryptierter Telekommunikation für die Planung und Durchführung von zum Teil schwersten Straftaten genutzt werden".

"Die technischen Fähigkeiten und rechtlichen Befugnisse der Sicherheitsbehörden sind den schnellen Entwicklungen in einer digitalen Welt entsprechend anzupassen", schreibt das Ressort weiter. Deutschland sei aber derzeit rechtlich nicht in der Lage, zum Zwecke der Entschlüsselung kryptierter Täterkommunikation "mit aktiven technischen Maßnahmen verdeckt in die informationstechnischen Systeme von Kryptokommunikationsdienstanbietern einzugreifen" und so etwa Chat-Nachrichten verdeckt auszuleiten.

Das Innenministerium unterstützt daher "Vorstöße zu Regelungen im Umgang mit Verschlüsselungsmechanismen, die im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen". Konkret wird das BMI dazu nicht, es will Optionen dazu zunächst prüfen. Zuvor hatte das Ressort noch unter seinem früheren Chef Horst Seehofer (CSU) im EU-Rat eine Linie zu Sicherheit durch und trotz Verschlüsselung durchgesetzt, in der es um Zugriffsmöglichkeiten auf Kommunikation im Klartext und eine stärkere Kooperation mit der IT-Industrie geht.

Der Einsatz von "Software zur informationstechnischen Überwachung (Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung) ist für die Arbeit der Sicherheitsbehörden bei der Abwehr von Gefahren für hohe Rechtsgüter und im Rahmen der Strafverfolgung unverzichtbar", hält das BMI an den nicht minder umstrittenen Staatstrojanern fest. Dies gelte "insbesondere in allen Fällen, in denen verschlüsselte Kommunikation bzw. Beweismittel vorliegen und eine Entschlüsselung nicht möglich ist".

Das Ministerium will hier zunehmend "die Herstellung und Nutzung eigener Softwarelösungen" anstreben. Ziel sei es, "die digitale Souveränität zu stärken und interoperable Infrastrukturen zu schaffen" sowie "weniger von außereuropäischen Herstellern abhängig zu sein".

Als weitere Herausforderung "bei der Abschöpfung inkriminierter Gewinne" hat das BMI "die zunehmende Nutzung von Kryptowerten" wie Bitcoin ausgemacht, "um die Herkunft von Vermögenswerten zu verschleiern". Das BKA müsse hier im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion eine Vorreiterrolle einnehmen und werde deshalb ein "Kompetenzzentrum für digitale Finanzermittlungen" einrichten. Damit soll auch ein Expertennetzwerk "Geldwäsche Kryptowerte" aufgebaut werden, um Ermittlungen in Bund und Ländern mit entsprechendem Know-how zu unterstützen. Für nötig hält es das Ressort ferner, ein "einheitliches und flächendeckendes Register mit Informationen zu Gebäuden und Wohnungen" einzuführen.

Nach wie vor setzt sich das Ministerium laut dem Papier vor allem für eine Vorratsspeicherung von "IP-Adressen und Portnummern" ein. Diese seien oft "der einzige Ansatz, um die Identität von Tätern schwerer Straftaten zu ermitteln, die sich anonym im Netz bewegen". Die restlichen Teile der Ampelkoalition sind dagegen: FDP und Grüne dringen auf die Alternative Quick Freeze.

Auch die immer wieder ertönenden Appelle, Bargeldzahlungen zu begrenzen, sind seit Langem heftig umkämpft. Aktuell warnt etwa der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) davor, Bargeldnutzer unter Generalverdacht zu stellen und in ihrem Agieren zu beschränken. Anonyme Zahlungsmittel hielten nahezu alle Verbrauchern für sehr wichtig. Auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) bezeichnete Faesers entsprechende Initiative als unverhältnismäßig und wenig geeignet, OK zu bekämpfen.

Die Innenministerin verteidigt dagegen ihre Pläne: "Menschenhandel, Drogenhandel, Geldwäsche – alle Bereiche des Organisierten Verbrechens haben eines gemeinsam: das skrupellose Streben der Täter nach Gewinn und Macht." Ihr gehe es daher darum, "kriminelle Strukturen zu zerschlagen und ihnen kriminelle Einnahmen konsequent zu entziehen". Durch das Zusammenspiel von zielgerichteter Investition und Gewaltpotenzial drohen laut dem Papier sonst "eine Unterwanderung staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen und die Destabilisierung der Gesellschaft insgesamt".

(mho)