Popkomm: Licht und Schatten bei der deutschen Musikwirtschaft

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Kulturstaatsminister Bernd Neumann wollen den kreativen Nachwuchs und den Export deutschen Liedgutes fördern und betonen die "Gesamtverantwortung" fürs geistige Eigentum.

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Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) haben bei der Eröffnung der Popkomm in Berlin angekündigt, den kreativen Nachwuchs und den Export deutschen Liedgutes im Rahmen der gemeinsam mit der Wirtschaft aufgezogenen "Initiative Musik" stärker fördern zu wollen. Zugleich betonten die Unionspolitiker die "Gesamtverantwortung" der Politik für den Schutz geistigen Eigentums als eine der Voraussetzungen für den ökonomischen Erfolg der Kulturindustrie.

"Die Musik- und Kommunikationsbranche ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sie beschäftigt fast zehn Mal so viele Menschen wie die Stahlindustrie", erklärte Glos in seiner Rede zum Beginn der dreitägigen Musikmesse. Die Sparte komme auf einen Umsatz von fünf Millionen, mit dem Phonomarkt zusammen auf 14 Millionen Euro. Zudem sei der Markt für Online-Musik im vergangenen Jahr um 30 Prozent gewachsen. Insgesamt belege Deutschland, das dieses Jahr als "Partnerland" der Popkomm im Zentrum des Messegeschehens steht, den vierten Platz im Weltmusikmarkt mit sieben Prozent des Gesamtumsatzes der Industrie.

"Ich sehe aber auch ganz klar die Probleme", fügte der Minister an. So entwickle sich der Tonträgermarkt nach wie vor rückläufig. "Ein Grund sind die illegalen Aufnahmen", stimmte Glos in das Klagelied der deutschen Phonoverbände ein. Deshalb gehöre "der Schutz geistigen Eigentums ganz oben auf die Tagesordnung". Konkret wollte sich der CSU-Politiker Forderungen der Musikindustrie nach einem Verbot "intelligenter Aufnahmesoftware" oder einer weiteren Eingrenzung der Privatkopie aber nicht anschließen. Vielmehr betonte er die ins Spiel gebrachte Stärkung der Wachstums- und Beschäftigungsimpulse der Kreativwirtschaft. Ideen gebe es in Hülle und Fülle, es mangele aber oft an Geld, um ein Geschäft zu etablieren. Daher wolle sein Haus auch Existenzgründern unter die Arme greifen.

Die Popkomm bezeichnete Glos allgemein als Chance, "um allen zeigen, wie kreativ und vielfältig das Spektrum deutscher Musik ist. Es gehe um deutsche Töne – und um deutsche Technik. Hier biete vor allem auch der Begleitkongress viele interessante Themen vom digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) bis zum "Dauerbrenner Urheberrecht". Eine geplante Diskussionsrunde mit Abgeordneten zu einem möglichen "3. Korb" nach der Verabschiedung der umstrittenen zweiten Stufe der Urheberrechtsreform musste allerdings abgesagt werden.

Neumann freute sich, "dass deutsche Künstler und DJs ganz weit oben in der Publikumsgunst stehen". Er verwies neben der eigenen Musikinitiative auf angekündigte Programme zur Förderung der Branche auf europäische Ebene. So wolle die EU-Kommission 2009 zum "Jahr der Kreativität" machen, um das allgemeine Bewusstsein für die Belange der ideenbasierten Unternehmen zu stärken. Die Popkomm ist für Neumann das Schaufenster der Kulturwirtschaft. Dort werde klar, dass Musik "nicht Selbstzweck" sei, sondern dass es auch um das Generieren von Wertschöpfung gehe.

Die Stimmung unter den Messehallen am Funkturm selbst ist – wie in den vergangenen Jahren – gemischt. Rolf Budde, Chef eines nach ihm benannten deutschen Indie-Labels, zeigt sich besorgt: "Die Marktlage ist dramatisch", betonte er auf einem Treffen mit Journalisten am Dienstag. Zwar werde immer mehr Musik genutzt, aber immer weniger Geld dafür gezahlt, gibt Budde die Ansicht der Musikverwertungsgesellschaft GEMA wieder. Er spricht von einer "Amateurisierung" des Musikgeschäfts und bezeichnet es als "Unverschämtheit", dass Künstler und Verleger durch illegale Downloads um ihre Tantiemen betrogen würden. Trostpflaster: Die Zahl der verbotenen Kopien geschützter Titel ist nach Branchenangaben zurückgegangen, nämlich von geschätzten 412 Millionen auf 347 Millionen. Auf einen legalen Download sollen aber immer noch 14 unerlaubte kommen. Nach den Worten von Popkomm-Geschäftsführer Ralf Kleinhenz gibt es für die Branche aber auch Lichtblicke: 75 Prozent der Musikhörer kauften nach wie vor CDs, berichtete er unter Berufung auf eine Umfrage.

Kompensiert werden die sinkenden Verkaufszahlen bei den CDs auch, weil die Deutschen immer mehr Geld für Konzerttickets ausgeben. Jeder dritte Deutsche über zehn Jahre war mindestens einmal im Jahr bei einem Live-Event. Damit werden 2007 voraussichtlich rekordverdächtige 2,88 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das ist das Ergebnis einer im Rahmen der Popkomm vorgestellten Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der Konzert-Boom geht zu Lasten anderer Vergnügungen. "Es gibt bei etlichen Musikfans die Haltung: Wir geben unser Geld lieber für Konzerttickets aus, und sparen uns dafür die Tonträger", erläutert Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft (idkv).

Fast 900 Aussteller aus 57 Ländern haben sich zum Branchentreff dieses Jahr angemeldet. Rund 15.000 Fachbesucher werden erwartet. Die Bandbreite der Aussteller reicht vom Konzertveranstalter bis zum Software-Anbieter, auch große Namen wie Warner Music, Sony BMG und Universal Music sind dabei. In den Clubs und Konzerthallen der Hauptstadt spielen im Rahmen eines begleitenden Festivals 450 Bands, Interpreten und DJs in gut 30 Clubs. Die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg konnte sich in den vergangenen Jahren als Zentrum des auf Live-Auftritte setzenden Begleitprogramms etablieren. Zu den musizierenden Stars der Popkomm gehören unter anderem Paul Weller, Billy Bragg, Benjamin Biolay, Nena, Smudo, Samy Deluxe und DJ Paul van Dyk. (Stefan Krempl) / (jk)