Promotion in der IT: Lohnt der Doktor fürs Digitale?
Absolventen in Informatik müssen nicht promovieren, um einen spannenden Job zu bekommen. Aber lohnt der Titel – für ein höheres Gehalt und eine steile Karriere?

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Der berufliche Weg kann ein ziemlicher Zickzack-Kurs sein. Jonas Schiffl, heute 31, hat einen Bachelor-Abschluss in Sinologie gemacht, dann aber festgestellt, dass er damit beruflich nicht wirklich etwas anfangen kann. Also studierte er Informatik, ein Fach, in dem ein Job garantiert ist.
Intensive Beschäftigung
Er ging an das Karlsruher Institut für Technologie, KIT, machte den Bachelor- dann Master-Abschluss und ist jetzt in der Halbzeit seiner Promotion in Informatik angekommen. Zunächst hatte er aber seine Zweifel am Promovieren: "Ich wusste nicht, ob es das richtige ist für mich, relativ frei über einige Jahre zu arbeiten. Sollte ich mir nicht besser einen Job suchen und gibt es ein Thema, das es wert ist, sich jahrelang ganz intensiv damit zu beschäftigen?" Einer seiner Professoren hat ihm diese Bedenken genommen.
Das ist heute sein Doktorvater, Prof. Dr. Bernhard Beckert, Dekan der Fakultät Informatik am KIT. "Promovieren kann nicht jeder Absolvent, die Kandidaten müssen schon fachlich gut sein", sagt Beckert. Davon scheint es in Karlsruhe einige zu geben: von den jährlich etwa 250 Master-Absolventen in Informatik beginnt jeder Fünfte eine Promotion. Was auch daran liegt, dass es an großen und in Informatik bedeutenden Universitäten wie Karlsruhe, München oder Saarbrücken an Forschungsgeldern nicht mangelt und daher Mittel für Doktoranden zur Verfügung stehen.
Durststrecken auf dem Weg
Schiffl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT. "Ich habe Aufgaben im Projekt, für das wir Fördermittel bekommen und arbeite gleichzeitig an meiner Doktorarbeit." Er forscht im Bereich der formalen Verifikation. In diesem Gebiet wird mithilfe mathematischer Logik versucht, zu beweisen, dass Computerprogramme korrekt arbeiten. Bezahlt werden Doktoranden nach öffentlichen Tarifen der Länder, in Baden-Württemberg sind das etwa 4.500 Euro monatlich.
Vielleicht könnte Schiffl mehr verdienen, wenn er einen Job in der Industrie angenommen hätte. Doch das ist unbedeutend. "Es macht mir Spaß, mich mit meinem Thema zu beschäftigen, weil es spannend ist. Ein eventuell höheres Gehalt mit dem Dr.-Titel ist für mich kein Grund für die Promotion, eher anschließend eine größere Auswahl bei den Stellenangeboten zu haben", sagt Schiffl. Inzwischen weiß er, dass seine Zweifel unberechtigt waren. Was er aber feststellen musste, ist, "dass promovieren ein ständiges Auf und Ab ist". Mal läuft es gut, dann geht für eine Weile überhaupt nichts voran. Damit muss man umgehen können.
Gut gefördert
In Biologie oder Chemie ist eine Promotion Teil der Ausbildung, ohne die haben diese Absolventen kaum Chancen auf eine Stelle. In anderen Disziplinen ist promovieren etabliert, etwa der Medizin. "In Informatik gibt es keinen Zwang, deshalb promovieren auch nur die, die tatsächlich wollen", sagt Beckert. Denn auch ohne Dr.-Titel finden die Absolventen interessante und hoch dotierte Jobs.
Für eine wissenschaftliche Karriere, wie die Habilitation, ist eine Promotion Voraussetzung. Etwa 10 bis 20 Prozent der promovierten Informatiker am KIT gehen diesen Weg. Weil wegen der Digitalisierung viel Geld in die Forschung von Informatik gesteckt wird, gibt es auch viele Stellen für Doktoranden, sogar mehr als Interessenten. Die Chancen auf eine erfolgreiche Promotion sind zudem deutlich höher als im Studium. "Knapp die Hälfte unserer Anfänger studieren bis zum Masterabschluss, bei den Doktoranden sind es geschätzt 80 bis 90 Prozent", sagt Beckert. Er geht davon aus, dass die interessantere Jobs bekommen, höher in der Hierarchie aufsteigen und mehr Geld als die Master-Absolventen bekommen.
Und tatsächlich: Informatiker mit Dr.-Titel verdienen nicht nur mehr als Master-Absolventen, sondern haben mit rund 57.000 Euro das höchste Einstiegsgehalt unter den promovierten aller Fachrichtungen. Im Vergleich zum Master-Absolventen bekommt der Dr. in Informatik etwa 7.000 Euro jährlich mehr. Diese Zahlen stammen vom Vergütungsportal gehalt.de. Die Autoren der Studie merken an, dass "der fachliche Wert der Promotion eindeutig am Thema hängt". Wer sich in die theoretische Welt zu tief vergaloppiert, landet eventuell in der Sackgasse.
Aktuelle Themen
Sebastian Buck sagt heute, 18 Jahre nach seiner Promotion in Informatik: "Ich habe mit meinem Thema Glück gehabt, Algorithmen für Künstliche Intelligenz sind heute hochaktuell." Sein Rat an angehende Doktoranden ist daher, dass sie sich ein Thema suchen sollten, für das es praktische Anwendungen gibt oder höchstwahrscheinlich geben wird.
Buck hat ebenfalls am KIT Informatik studiert, dann an der TU München in dieser Disziplin promoviert. "Ich war getrieben vom Interesse am Thema Künstliche Intelligenz." Seine Promotion hat Buck 2003 abgeschlossen, heute ist der 46-jährige Head of Engineering and Project Management bei der ITK Engineering GmbH. Das Unternehmen ist ein Entwicklungspartner für die Industrie, hat weltweit 1.300 Mitarbeiter an Standorten in im In- und Ausland. Die Zentrale ist in Rülzheim in der Pfalz und ITK Engineering gehört seit drei Jahren zu Bosch, hat aber seine eigenständige Marke behalten. Das ist ungewöhnlich für diesen Konzern.
Hochkomplexe und spezielle Aufgaben
Dass Buck Karriere gemacht hat, liegt nach seiner Ansicht nicht am Titel als solchem, sondern eher am Wissen aus der Promotion, das beim Berufsein- und -aufstieg eine Art Beschleuniger war. "Während einer Promotion lernt man, sich auf ein komplexes Thema zu fokussieren, strukturiert zu arbeiten, mit ungewünschten Ergebnissen umzugehen und mit einem Budget klarzukommen." Was Absolventen in Unternehmen in Schulungen gelehrt bekommen, muss sich ein Doktorand selbst erarbeiten.
Dass sich eine Promotion beim Berufseinstieg finanziell lohnt, hat die genannte Studie bereits ergeben. Warum das so ist, weiß Sylvia Stiasny, Head of Human Resources bei ITK Engineering. "Promovierte besetzten meist Stellen, die vom Anforderungsprofil höher sind als die von Master-Absolventen – und damit auch besser bezahlt werden." Informatiker mit Promotion sucht ITK Engineering explizit für hochkomplexe oder ganz spezielle Aufgaben. "Grundsätzlich sind aber auch bei anderen Positionen Bewerbungen mit Promotion bei uns gern gesehen, wenn das Promotionsthema in unsere Firma passt", sagt Stiasny.
Das Unternehmen hat auch regelmäßig Doktoranden in seinem Promotionsprogramm, daher kennt Buck die Unterschiede zwischen seiner Promotion am Lehrstuhl und der in einer Firma. "An der Hochschule hat man mehr Freiheiten, an dem was man forscht, in Unternehmen sind die Doktoranden gebundener und es werden umsetzbare Teilergebnisse erwartet."
Zumindest diesen Druck hat Schiffl nicht. Wenn er es schafft, seine Promotion abzuschließen, entscheidet sich erst bei deren Verteidigung vor dem Prüfungsausschuss, ob er den Titel Dr. Ing. (Ingenieur) oder Dr. rer. nat. (Naturwissenschaften) tragen darf. Je anwendungsnäher sein Thema eingestuft wird, umso eher darf er sich Dr. Ing. Jonas Schiffl nennen.
(kbe)