Prozess gegen Ex-VW-Chef Winterkorn soll starten​

Volkswagen hat die juristische Aufarbeitung des Abgasbetrugs Milliarden gekostet. Welche Rolle Ex-Chef Winterkorn dabei spielte, soll nun geklärt werden.​

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Martin Winterkorn

Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn musste nach Bekanntwerden des Betrugs 2015 zurücktreten.

(Bild: Volkswagen)

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Volkswagen hat eine Prüfstanderkennung dafür eingesetzt, um Abgaswerte bei der offiziellen Messung zu manipulieren. Der 2015 öffentlich gemachte Betrug hat den Konzern global Milliarden Euro an Schadenersatzzahlungen und reichlich Reputation gekostet. In einem weiteren Prozess soll nun geklärt werden, welche Rolle der frühere VW-Konzernchef Martin Winterkorn bei diesem Betrug gespielt hat. Der inzwischen 77-Jährige ist gesundheitlich schwer angeschlagen, sodass bis zuletzt unsicher war, ob der Prozess wie geplant am 3. September 2024 starten kann. Das Landgericht Braunschweig hat für den Strafprozess fast 90 Termine bis September 2025 angesetzt.

Der Gesundheitszustand von Winterkorn hatte die Planungen der Justiz schon mehrmals durchkreuzt. Gemeinsam mit vier anderen ehemaligen Volkswagen-Managern und -Ingenieuren sollte Winterkorn eigentlich ab September 2021 in einem Braunschweiger Gerichtssaal sitzen. Die Anklage lautet auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug. Kurz vor Beginn attestierte aber ein Gutachten Winterkorn fehlende Verhandlungsfähigkeit nach mehreren Hüftoperationen. Um dennoch mit der Aufarbeitung von "Dieselgate" voranzukommen, trennte der Richter den Winterkorn-Komplex von diesem Verfahren ab. Im Juli 2024 wurde Winterkorn nach einem medizinischen Notfall erneut am Knie operiert. Der Eingriff sei gut verlaufen, Winterkorn körperlich aber stark geschwächt, hieß es damals aus seinem Umfeld. Ein Aufenthalt in einer Reha-Klinik wurde nötig.

Nun gibt es einen weiteren Versuch, die Angelegenheit vor Gericht zu verhandeln. Die Wirtschaftsstrafkammer trug die Vorwürfe auf einer sechsseitigen Vorschau nochmals zusammen. Es geht um gewerbsmäßigen Betrug, Marktmanipulation und eine uneidliche Falschaussage. Winterkorn soll VW-Käufer über die Beschaffenheit der Autos getäuscht und in den entscheidenden Septembertagen 2015 den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er dann vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch ausgesagt haben. Zu diesem Vorwurf läuft ein weiteres Verfahren in Berlin.

Der Betrug war im September 2015 durch Nachforschungen von US-Umweltbehörden und Wissenschaftlern aufgeflogen. Nach Angaben des Gerichts waren von den Dieselmanipulationen etwa neun Millionen Fahrzeuge in Europa und den USA betroffen, den Käufern soll ein Vermögensschaden von mehreren 100 Millionen Euro entstanden sein. Die Affäre stürzte Volkswagen in die schwerste Krise der Firmengeschichte. Winterkorn trat zurück und sagte später, er habe zu akzeptieren, dass sein "Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre".

Eine strafrechtliche persönliche Verantwortung wies er aber stets von sich. Anfang 2024 äußerte sich Winterkorn erstmals als Zeuge vor Gericht. "Ich halte diese Vorwürfe für unzutreffend", sagte der frühere Konzernlenker im milliardenschweren Zivilprozess von Investoren gegen VW vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Winterkorn bezog sich dabei auf die beiden Strafverfahren wegen Betrugs und Marktmanipulation von der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

In seinem Statement als Zeuge sagte Winterkorn, er sei in die Entscheidungen zur Manipulations-Software nicht eingebunden gewesen. "Ich habe diese Funktion weder gefordert noch gefördert oder ihren Einsatz auch nur geduldet." Bei der anschließenden Befragung über vier Tage wurde vor allem deutlich, dass die Operationen Spuren hinterließen. Winterkorn wirkte gesundheitlich angeschlagen und brauchte immer wieder längere Pausen.

(mfz)