Prozess gegen weiteren Internet-Dissidenten in China

Der neue Prozess sei der erste dieser Art in Schanghai seit 1999, hieß es bei Menschenrechtsorganisationen; die Hafenmetropole bringe Internet-Dissidenten normalerweise ohne Prozess bis zu zwei Jahre in Umerziehungslager.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Erneut ist in China ein Internet-Aktivist vor Gericht gestellt worden. Der eintägige Prozess gegen den 61-jährigen Sang Jiancheng vor dem Zweiten Mittleren Volksgericht in Schanghai sei am Mittwoch beendet worden, berichtete ein Gerichtsbeamter. Wann das Urteil gesprochen wird, ist bislang allerdings unklar, ebenso das mögliche Strafmaß. Nach Angaben des Informationszentrums für Demokratie und Menschenrechte in Hongkong lautete die Anklage wie in mittlerweile vielen anderen vergleichbaren Fällen auf "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt".

Der pensionierte Arbeiter habe Briefe und Artikel an Kontaktadressen im Ausland geschickt, die sie ins Internet gestellt hätten, berichtete das Zentrum laut dpa. Ihm sei vor Gericht vorgeworfen worden, die Kommunistische Partei als "korrupte politische Partei" beschrieben und mehr Schutz für schwache Gesellschaftsgruppen wie etwa Arbeiter in Rente oder Familien gefordert zu haben, die wegen städtischer Bauprojekte umgesiedelt werden.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Mittwoch gibt es gerade in Shanghai immer wieder Proteste gegen Umsiedlungsprojekte, bei denen traditionelle Viertel den gigantischen Neubauprojekten von Chinas Boomtown zum Opfer fallen. Frank Lu vom Hongkonger Zentrum erklärte nun gegenüber dpa, der Prozess Sang Jiancheng sei der erste dieser Art in Schanghai seit 1999 gewesen. Die Hafenmetropole bringe Internet-Dissidenten normalerweise bis zu zwei Jahre in Umerziehungslager, wofür kein Gerichtsurteil nötig ist.

Allein seit Anfang Oktober sind in China acht Menschen wegen politischer Aktivitäten im Internet zu drei bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Mindestens vier wurden vor Gericht gestellt. Weitere Verfahren sind anhängig. Zudem versucht die Regierung der Volksrepublik China, eine strikte Kontrolle über das Internet auszuüben.

Zur Situation vor allem in China und dem Vorgehen des Staates gegen Internet-Aktivisten siehe auch: (jk)