Prozessauftakt in US-Filesharing-Verfahren

Vor einem US-Gericht in Minneapolis hat am Montag das Wiederaufnahmeverfahren gegen Jammie Thomas-Rasset begonnen, die wegen unberechtigter Verbreitung von Musik in dem aufsehenerregenden ersten Verfahren zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden war.

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Am späten Montagabend europäischer Zeit hat vor einem US-Bundesgericht in Minneapolis (US-Bundesstaat Minnesota) das Wiederaufnahmeverfahren der Musikindustrie gegen die 32-jährige Jammie Thomas-Rasset begonnen. Die klagenden Labels werfen Thomas-Rasset vor, im "Shared"-Ordner ihres Kazaa-Clients über 1700 urheberrechtlich geschützte Musikstücke zur Verbreitung bereitgehalten zu haben. Gegenstand der Klage sind allerdings nur 24 einzeln genannte Songs, deren unrechtmäßige Verbreitung die Kläger im Laufe des Verfahrens nachweisen wollen.

In einem ersten Verfahren im Oktober 2007 hatte ein Geschworenengericht Thomas-Rasset im Sinne der Anklage für schuldig befunden und zu Schadensersatz in Höhe von insgesamt 222.000 US-Dollar verurteilt. Das Urteil wurde später vom vorsitzenden Richter Michael Davis nach einem Rechtsfehler kassiert und ein neues Verfahren angeordnet. Mit einem neuen Anwälte-Team an der Seite stellt sich Thomas-Rasset seit Montag erneut den Vorwürfen.

Die Klage stützt sich nur auf – wenn auch starke – Indizienbeweise, etwa die IP-Adresse des Anschlusses der Beklagten und ihren Kazaa-Nutzernamen, den sie auch für andere Dienste im Netz nutzt. Der Beweis, dass tatsächlich Thomas-Rasset zum fraglichen Zeit vor dem Computer gesessen hat, wird kaum zu führen sein. Die Geschworenen im ersten Verfahren hatten dennoch keinen Zweifel daran, dass Rasset-Thomas die fraglichen Musikstücke verbreitet hat. Nicht einig war sich die Jury in der Frage eines angemessenen Schadensersatzes. Auch darum wird es im neuen Verfahren gehen.

Der erste Prozesstag begann am Montag mit der Auswahl der zwölf Geschworenen. Danach wurden erste Zeugen vernommen. Prozessbeobachtern zufolge setzte Thomas-Rassets Anwalt "Kiwi" Camara Zeugen und Klagevertretern dabei ziemlich zu. "Das mit der Aggressivität, das ist unser Stil", sagte Camaras Partner Joe Sibley der Lokalzeitung Star Tribune. Die offensichtliche Strategie der Verteidigung, möglichst wenig der von den Klägern vorgebrachten Indizien und Zeugenaussagen als Beweismittel zuzulassen, hatte vor Prozessbeginn einen Rückschlag erlitten.

Am Montag beantragte Camara nun, die von der Musikindustrie vorgelegten Nachweise über die Urheberrechte an den fraglichen Songs nicht anzuerkennen. Damit setzt er am Anfang der Indizienkette an: Sollten die Kläger nicht nachweisen können, die Urheberrechte an den 24 Songs zu besitzen, könnte der Prozess schnell vorbei sein, meint der New Yorker Anwalt Ray Beckerman, der sich seit Jahren intensiv mit den Filsharing-Klagen der Musikindustrie befasst. Beckerman hält die Anträge Camaras, der sich auf Präzedenzfälle stützt, für "unanfechtbar" – eine Einschätzung, die allerdings nicht alle Beobachter teilen.

Das Verfahren findet international Beachtung. Der Prozess gegen Thomas-Rasset ist von tausenden ähnlichen Verfahren, die der US-Verband der Musikindustrie RIAA wegen mutmaßlich illegalen Filehsarings gegen US-Bürger angestrengt hat, das erste, in dem es zu einer Verhandlung vor Geschworenen gekommen ist. Aus dem Gerichtssaal berichten die Prozessbeobachter Marc Bourgeois für Beckermans Blog und bei Twitter (mwbourgeois) sowie der Copyright-Anwalt Ben Sheffner (Twitter bensheffner). Auch das Online-Magazin SemiAccurate twittert aus Minneapolis. (vbr)