RWI-Studie: Herkunft der Kinder entscheidet auch ĂĽber digitale Kompetenzen
Digitale Kompetenzen sind laut einer neuen Studie sehr ungleich in der Bevölkerung verteilt. Die Forschergruppe sieht hier einen Bildungsauftrag für Schulen.
Defizite an digitaler Kompetenz zeigen sich insbesondere bei älteren und weniger gebildeten Menschen, Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Das geht aus einer neuen Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor. Zudem zeige sich, dass Kinder ihre Bildungskarriere mit wenigen Unterschieden beim Erwerb von digitalen Kompetenzen beginnen, im Laufe der Schulzeit aber besonders der sozio-ökonomische Hintergrund der Familie über den weiteren Erwerb entscheide. Eine starke Kopplung von sozio-ökonomischem Hintergrund und anderen Lernerfolgen von deutschen Schülerinnen und Schülern wird seit Jahren durch internationale Studien belegt.
JĂĽngere mit mehr Kompetenzen
Die Studie zeichnet ein klares Bild, wie es innerhalb der Bevölkerung um digitale Kompetenzen bzw. die "Digital Literacy" bestellt ist. So weisen jüngere Erwachsene "deutlich höhere Kompetenzen" als Erwachsene über 50 Jahren auf. Und auch in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen wird für die jüngeren eine geringfügig höhere Kompetenz attestiert.
Geschlechtsspezifische Unterschiede seien im Kindes- und Jugendalter noch gering, bauten sich bis zum Erwachsenenalter aber aus. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass schon innerhalb der Sekundarstufe I Selektionseffekte greifen. Auch geben sie zu bedenken, dass der Grad der digitalen Kompetenzen, der in der Schule erworben wird, die Studienauswahl beeinflussen und zu noch größeren Unterschieden beim Kompetenzerwerb führen könne. Dies könne unter anderem die aktuellen Unterschiede zwischen jüngeren Frauen und Männern erklären.
Bildungsjahre, Migrationshintergrund und Elternhaus
Eine starke Korrelation konnte auch mit der Anzahl der Bildungsjahre festgestellt werden. Speziell Personen mit keinem, einem niedrigen oder mittleren Schulabschluss wiesen unterdurchschnittliche digitale Kompetenzen auf. Personen mit Hochschulabschluss oder Promotion hatten im Mittel deutlich höhere digitale Kompetenzen als Befragte ohne Hochschulabschluss.
Während Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte über alle Alterskohorten hinweg eine geringere digitale Kompetenz zeigten, zeigten sich die geringsten Unterschiede für Menschen mit Migrationshintergrund, wenn diese zur Gruppe der Studierenden gehörten.
Wie entscheidend die Verhältnisse im Elternhaus sind, zeigte sich beim Vergleich von Kindern arbeitsloser Eltern und Eltern mit MINT-Berufen. So offenbaren vor allem Kinder erwerbsloser Eltern unterdurchschnittlich ausgeprägte digitale Kompetenzen. Jugendliche von arbeitenden Eltern, die einem mathematischen, informatischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Beruf nachgehen, wiesen hingegen eine höhere Kompetenz als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf.
Digitale Kompetenzen in Schulen fördern
Wie die Forscherinnen und Forscher des RWI ausführen, ergebe sich aus der Studie eine Handlungsempfehlung vor allem für den formalen Bildungssektor – also das deutsche Bildungssystem. Dieses sollte "früh die digitalen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen fördern" – das heißt spätestens zu Beginn der Sekundarstufe I. Auf diese Weise könnten der geringe Kompetenzaufbau außerhalb der Schulen und auch die unterschiedlichen Voraussetzungen in den Familien kompensiert werden. Schulen sollten darüber hinaus Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie Mädchen stärker für Themen mit Bezug zur Informatik begeistern und motivieren.
Für ältere Menschen sollten Bildungsangebote gestärkt werden, um ihnen "eine weitere Partizipation in den sich ändernden Lebens-, Bildungs- und Arbeitsbereichen zu ermöglichen". So könnten ältere Menschen Anschluss an die Digital Natives erhalten.
Wie Mitautorin Friederike Hertweck weiterhin erklärt, ergebe sich aus den Erkenntnissen der Studie auch, dass die Coronavirus-Pandemie "bestehende soziale Ungleichheiten langfristig verstärken" könne, da "die digitalen Kompetenzen bereits bei Jugendlichen ungleich verteilt sind und stark vom Elternhaus beeinflusst werden". Der Zugang zum digitalen Unterricht für Kinder aus benachteiligten Familien sei dadurch schwieriger.
Grundlagen
Die Studie (PDF) basiert auf einer Bestandsaufnahme digitaler Kompetenzen in Deutschland zwischen 2010 und 2013 mit Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Es wurden Daten zu Kindern und Jugendlichen der sechsten, neunten und 12. Klasse analysiert. Zudem umfassten die Daten Studierende sowie Erwachsene vom Ausbildungs- bis ins Rentenalter.
(kbe)