Real Networks bringt Online-Musikshop nach Europa

Der Chef von Real Networks hofft darauf, dass das juristische Vorgehen gegen Tauschbörsennutzer in Europa härter wird: "In Europa meinen die Kunden noch zu sehr, dass Musik zum Nulltarif zu haben ist."

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Von
  • Jürgen Kuri

Erster? Für Real Networks gilt das möglicherweise, zumindest im Vergleich mit den bekannteren US-Anbietern von Online-Musikdownloads: Die Firma will ihren Web-Musikshop in einem Zeitrahmen von sechs Monaten bis einem Jahr auch in Europa starten. Bislang sind die großen Konkurrenten, allen voran Apple mit dem iTunes Music Store und Roxio mit Napster 2.0, noch nicht mit konkreten Terminen für einen Start ihrer Online-Musikläden in Europa an die Öffentlichkeit getreten. Apple sprach im Januar lediglich von "im Laufe dieses Jahres".

Gegenüber der Financial Times Deutschland bezeichnete Real-Networks-Chef Rob Glaser den Zeitraum von 6 bis 12 Monaten für den Start des Musikdienstes Rhapsody als "realistisch". Eine der Hauptursachen, warum Glaser den Start nun für möglich hält, sind die juristischen Attacken der Musikbranche auf die Anbieter in Online-Tauschbörsen: "Das Vorgehen gegen Tauschbörsen sollte sich auch in Europa in den kommenden Monaten dramatisch verschärfen. Dafür gibt es erste Anzeichen", sagte Glaser der Zeitung. Bisher seien in Europa weder die Kundenmentalität noch die gerichtliche Verfolgung illegaler Musiktauschbörsen ausreichend für einen Start des Online-Musikshops. In den USA seien Musikdownload-Dienste erst vor einem guten Jahr zu einem echten Geschäftsmodell geworden, betonte Glaser: "In Europa meinen die Kunden noch zu sehr, dass Musik zum Nulltarif zu haben ist."

Glaser will aber auch in Europa an dem Konzept festhalten, Downloads von Musik vor allem über ein Abonnement-Modell anzubieten. "Die Marge bei diesem Modell ist signifikant höher als beim Einzelverkauf", sagte Glaser. Das Modell sei auch im Interesse der Musikindustrie, da Nutzer sich auch mal neue Interpreten und Stilrichtungen anhören könnten, ohne gleich dafür zahlen zu müssen. Erst seit Anfang dieses Jahres bietet Real Networks in seinem Musikshop auch andere Modelle als das Abonnement an. In Deutschland sind bislang diverse Musikangebote am Start, die bislang auf den britischen Dienstleister OD2 aufsetzen; die Branchenplattform der deutschen Musikindustrie Phonoline hat, nach ihrem immer wieder verschobenen Start, nicht nur mit weiter schwelenden rechtlichen Unklarheiten, sondern auch mit nicht gerade berauschenden Kritiken wegen mangelndem Umfang und technischer Probleme zu kämpfen.

Für Real Networks scheint sich der europäische Markt aber noch aus einem anderen Grund positiv zu entwickeln: Glaser zeigte sich sehr erfreut über die Entscheidung der EU-Kommission im Kartellverfahren gegen Microsoft. Die Feststellung der europäischen Wettbewerbshüter, Microsoft habe sein Monopol bei Desktop-Betriebssystemen zu dem Versuch genutzt, Märkte für kleinere Server und Abspielsoftware für digitale Medien zu beherrschen, komme Real Networks auch beim eigenen Kartellprozess gegen Microsoft in den USA zugute. (jk)