RoboCup-WM 2008: Die Liga der rollenden Köpfe

Zur RoboCup-WM werden erstmals Fußballspiele mit dem neuen humanoiden Roboter Nao ausgetragen. Bei einem Spiel soll sich der Kopf eines Spielers gelöst haben und aufs Tor zugerollt sein.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die Liga der rollenden Köpfe (5 Bilder)

Robocoup-WM 2008

Noch recht unbeholfen und orientierungslos: Der neue Standardroboter Nao trifft den Ball bislang allenfalls durch Zufall.

Ein zweibeiniger Roboter trippelt um den Ball herum, der in der Mitte des Spielfeldes liegt, bereit zum Anstoß. Einen knappen Meter entfernt schwingt ein anderer Roboter die Hüften, hebt ab und zu das Bein zu einer Kickbewegung, die jedes Mal ins Leere geht. Was wie eine avantgardistische Tanzvorführung wirkt, ist jedoch tatsächlich ein Fußballspiel in der Standard Platform League bei der RoboCup-WM in Suzhou – eines der ersten, die mit dem neuen humanoiden Roboter Nao ausgetragen werden.

Allen Teilnehmern war von vornherein klar, dass der von der französischen Firma Aldebaran gefertigte Zweibeiner noch keine großen Leistungen bringen würde. Dazu ist er noch mit zu vielen Kinderkrankheiten belastet. Etwa 120 Exemplare seien bislang produziert und ausgeliefert worden, sagt Romain Daros, Marketingleiter bei Aldebaran. Bei der ersten Serie zeigten sich aber rasch so viele Mängel, dass sie zurückgenommen werden musste. Die Zahl der Roboter aus der zweiten Serie, die gegenwärtig von den RoboCup-Teams genutzt werden, schätzt Daros auf 60 bis 70. Auf einer Tafel neben den Spielfeldern wird regelmäßig notiert, wie viele davon in brauchbarem Zustand sind. Heute am frühen Nachmittag waren es 35.

Selbst diese halbwegs "gesunden" Spieler laufen nur sehr unbeholfen, ständig begleitet von menschlichen Assistenten, die bei einem Sturz versuchen, sie aufzufangen. Denn anders als die von den Teams selbst gebauten Roboter in der Humanoid League ist Nao noch nicht robust genug, um Stürze unbeschadet zu überstehen. Das hat zum Teil mit den verarbeiteten Komponenten zu tun. "Für die Verbindung zwischen Kopf und Körper hat Aldebaran Kabel verwendet, die laut Hersteller fünf Millionen Mal gebogen werden können", sagt Stefan Czarnetzki vom Team Bredo Brothers (Uni Bremen, TU Dortmund). "Nun brechen die Kabel schon nach 500 Kopfbewegungen."

Auch beim Design gibt es Verbesserungsbedarf. So macht es die derzeitige Position der Kamera dem Roboter praktisch unmöglich, einen direkt vor dem Fuß liegenden Ball zu erkennen, selbst wenn er Kopf und Hüfte so weit wie möglich nach vorne beugt. Die Entwicklung der Software steckt ohnehin noch in den Anfängen, sodass von flüssigen Spielen noch lange keine Rede sein kann.

Eine Zeit lang sah es sogar so aus, als würde nicht einmal ein Tor fallen. Doch diesen Bann brach am Nachmittag das australische Team der NUbots – mit einem Eigentor. "Es war richtig herausgespielt", sagt Stephan Chalup mit einiger Selbstironie. "Der Spieler legte den Ball vors Tor, lief um ihn herum und nahm noch einmal von der anderen Seite aus Anlauf. Immerhin gelang uns danach noch ein Treffer auf der richtigen Seite." Bei einem anderen Spiel soll sich der Kopf eines Spielers gelöst haben und aufs Tor zugerollt sein, allerdings ohne die Linie zu kreuzen. So blieb es den Schiedsrichtern erspart, zu entscheiden, ob und wie das gewertet werden sollte.

Die RoboCup-Teilnehmer nehmen all diese Kapriolen mit großer Gelassenheit und Humor hin. Aldebaran-Mitarbeiter Daros ist sogar regelrecht begeistert. "Wir sind sehr zufrieden", sagt er. "Es war genau unsere Absicht, mit Hilfe der RoboCup-Erfahrungen das System zu verbessern." Ansgar Bredenfeld, Sprecher des deutschen Nationalkomitees RoboCup, stimmt zu: "Das ist ein großer Beta-Test, von dem beide Seiten profitieren."

An anderer Stelle in der großen Halle des Messegeländes in Suzhou waren tänzerische Einlagen geradezu erwünscht. Auf der Bühne, auf der gestern die RoboCup-WM mit Feuerwerk und feierlichen Reden eröffnet wurde, präsentieren jetzt Schülerteams ihre Inszenierungen im Rahmen der RoboCup Dance Competition. Der Wettbewerb ist ursprünglich als Einsteiger-Liga konzipiert worden, weil hier für die Roboter keine Sensorik erforderlich ist. Dafür gibt es viel Spielraum für Kreativität. Die aufwendig gestalteten Roboter und teilweise komplexen Choreographien lassen indessen selten den Eindruck aufkommen, hier seien Anfänger am Werk.

Ein Grundschulteam aus Shanghai beeindruckte heute durch eine in exzellentem Englisch vorgetragene Begrüßung und eine energiegeladene Tanzdarbietung, bei der die Roboter allerdings Mühe hatten, gegen die Menschen zu bestehen. Das gilt für viele Vorführungen: Allein durch ihre Größe haben die Schülerinnen und Schüler, die sich zumeist gemeinsam mit ihren Robotern auf die Bühne begeben, von vornherein eine größere Präsenz. Immerhin sitzt die Jury direkt vor der Bühne und kann von dort aus auch die technische Leistung der Juniorteams gut beurteilen. Inwieweit die tatsächlich von den Kindern und Jugendlichen selbst erbracht wurde, wird vorab in formellen Interviews geprüft. Denn gelegentlich geht der Ehrgeiz doch mit manchen betreuenden Lehrern durch.

Nach wie vor wird der Wettbewerbsaspekt beim RoboCup Junior ohnehin nicht zu hoch gehängt. Mit Sonderpreisen wird versucht, möglichst vielen Teams ein Erfolgserlebnis zu vermitteln. Zudem wird mit Partys und den aus einzelnen Teams zufällig zusammengesetzten Superteams die internationale Begegnung gefördert.

Diesen Aspekt hält auch Bredenfeld für wichtig. "Hier entsteht ja ein internationales Netzwerk", betont er. Mittlerweile treten beim RoboCup unter anderem Teams aus Israel, dem Iran, den USA, der VR China und Taiwan in einen friedlichen technologischen Wettbewerb. Wenn die Kinder, die heute spielerisch Roboter bauen, programmieren und beim RoboCup vorführen, dann in 20 Jahren Berufe ausüben, mögen sie nicht nur zu einem besseren Verhältnis zwischen Mensch und Technik, sondern auch zu einem besseren Verhältnis der Menschen untereinander beitragen.

Zur RoboCup-WM 2008 siehe auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (anw)