"Rough Justice" bei Schlichtern von Domain-Streitigkeiten

Inhaber von Markenrechten können ihren Anspruch auf einen bestimmten Domain-Namen bei einer der von der ICANN zugelassenen Schlichterorganisationen geltend machen - mit stark divergierenden Ergebnissen.

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Von
  • Monika Ermert

Für rund 1.500 US-Dollar können die Inhaber von Markenrechten ihren Anspruch auf einen bestimmten Domain-Namen bei einer der von der Internet-Verwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) zugelassenen Schlichterorganisationen prüfen lassen. Jetzt hat DNS-Experte Milton Mueller in einer Studie unter dem Titel Rough Justice auf gewaltige Unterschiede in den Entscheidungen der verschiedenen durch die ICANN beauftragten Schlichterorganisationen aufmerksam gemacht. Mueller, Professor an der School of Information Studies der Syracuse University, warnte auf einer vom Berkman Center organisierten Podiumsdiskussion während der Jahrestagung der ICANN in Kalifornien davor, dass ohne Korrekturen an der Ende 1998 eingeführten Uniform Dispute Resolution Policy (UDRP) nach und nach ein Monopol der World Intellectual Property Organization (WIPO) im Schlichtergeschäft entstehen könnte. (Zur UDRP siehe auch den Artikel Namenspatron in Ausgabe 24/99 der c't).

Die WIPO hat mit dem Arbitration Center ihren Marktanteil in diesem Jahr von 48 auf 66 Prozent erhöht und dafür gibt es laut Mueller vor allem einen Grund: In 82 Prozent aller ihr vorgelegten Fälle habe die WIPO zu Gunsten der Kläger entschieden, die einen bereits belegten Domain-Namen für sich beanspruchten. Dagegen entschieden die Panellisten des kanadischen Dispute Resolution Providers E-Resolutions nur in 51 Prozent der Fälle für die Kläger. "Es ist klar, dass Markenrechtsvertreter auf diese Statistik schauen und dann zur WIPO gehen", sagte Mueller. Es käme schon beinahe Mandantenverrat gleich, würde ein Anwalt angesichts der Zahlen nicht dazu raten, sich an die WIPO zu wenden, bestätigte auch ein Panellist von E-Resolution.

Zudem habe die WIPO vor einiger Zeit gar mit dem Hinweis geworben, Domainkläger besonders gut zu bedienen, kritisiert die Autorin des Domain Name Handbook, Ellen Rony. Das zeige, dass die vorgelegten Fälle einseitig zu Gunsten der Markenvertreter beurteilt würden. Mueller zitierte einige Fälle als "really bad decisions", zum Beispiel die Entscheidung, guinnes-beer-really-sucks verletzte wegen leichter Verwechselbarkeit das Markenrecht von Guiness (WIPO D2000-0996). In manchen Fällen werde der Nachweis böser Absicht, eine der Voraussetzungen für die UDRP-Entscheidungen, überhaupt nicht geführt, meinte Mueller.

Alle Vorwürfe der Einseitigkeit wies dagegen Francis Curry von der WIPO zurück und mahnte, die Fälle nicht statistisch, sondern juristisch zu betrachten. Auch das National Arbitration Forum hat im Übrigen eine ähnliche Bilanz bei der Entscheidung für die Kläger, zieht aber trotz deutlich schnellerer Verfahrenszeiten inzwischen nur noch rund 27 Prozent der Fälle an. Curry warnte denn auch vor monokausalen Erklärungen. Mögliche Fehlentscheidungen seien allenfalls einzelnen Panels anzulasten, die UDRP als solche habe sich bewährt.

Immerhin könne die UDRP auch ahnungslose Domainregistrierer vor völlig überhöhten Abmahnforderungen oder teuren Prozessen schützen. "Da werden einfach gleich mal 100.000 US-Dollar gefordert, ohne den Nachweis zu führen, welcher Schaden entstanden ist", sagte der US-amerikanische Rechtsanwalt Scott Evans bei der Diskussion.

Auch die ICANN denkt nicht daran, die UDRP grundsätzlich zu verändern. "Allerdings prüft die Domain Name Supporting Organization derzeit, wie das Verfahren sich bewährt hat", sagte ICANN-Jurist Louis Touton. Milton Mueller hält Veränderungen vor allem bei den Verfahrensregeln für notwendig. Statt der Kläger sollten die Registrare die Schlichterorganisationen auswählen, empfahl Mueller. Damit, so hofft er, könnte verhindert werden, dass die Schlichterorganisationen direkt von ihren "Kunden" ausgewählt würden. "Die Registrare sind meiner Meinung nach wesentlich unparteiischer", mein Mueller, selbst WIPO-Panellist. Die Registrare seien allen Kunden gleichermaßen verpflichtet.

Im Übrigen warnte er davor, das Cybersquatting-Problem, also die Belegung beliebter oder bekannter Domain-Namen in böswilliger Absicht, auch mit Hinblick auf die neuen Domains zu dramatisieren. Auf 3.500 Domains kommt ein Streitfall, hielt Mueller fest. Die Zahl neuer Fälle sei nach einer Spitze im August derzeit rückläufig und liege bei 250 Fällen pro Monat. Insgesamt sind bei den verschiedenen Schlichtern etwa 2.200 Fälle anhängig. Derzeit wird auch diskutiert, ob die UDRP nicht nur für die neuen Top Level Domains (TLD), sondern auch für die Länder-Domains (country code Top Level Domains, ccTLDs) eingeführt werden soll. Die WIPO hat dazu verschiedene Länderdomain-Betreiber zu einem Workshop eingeladen. (Monika Ermert) (jk)