Ruinen-Pornos, Geisterstadt: Fotografen kämpfen um Detroits Image

Verlassen, verlottert, verschrottet: Ganze Stadtteile der einstigen Autometropole Detroit sind nacktes Brachland. Das lockt immer mehr Fotografen an. Doch Anwohner wollen das Bild der Misere abschütteln.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Johannes Schmitt-Tegge
Inhaltsverzeichnis

Die Stadttour von Jesse Welter beginnt an einer mit Graffiti beschmierten Wand im toten Industrieviertel von Detroit. Über rostigen Stahl, Schutt und zerbrochenes Glas steigt er ins düstere Erdgeschoss der "Fisher Body Plant 21" – eines verlassenen sechsstöckigen Beton-Kolosses im Nordteil der Stadt, wo Autoriese General Motors einst Fahrzeugteile fertigen ließ. Heute ist das Gebäude eine heruntergekommene Industrie-Ruine – und damit eine der beliebtesten Stationen auf Welters Tour.

"Spezialisiert auf die Schönheit von Detroits historischer und verlassener Architektur", bewirbt Welter seine Ausflüge im Internet. Für 75 Dollar bringt er Fotografen und andere Besucher an entlegene Orte der einstigen Autometropole, die mit Bevölkerungsschwund, einem gewaltigen Schuldenberg und einer der höchsten Kriminalitätsraten des Landes ringt. Eine oder zwei Touren macht Welter pro Woche, und die Nachfrage reißt nicht ab.

Was der Detroit-Kenner seinen Tourbesuchern bietet, lässt das Herz mancher Fotografen höher schlagen. Auf Hunderttausenden Quadratmetern urbanen Verfalls zeigen sich verkrustete Stahlgerippe, bröckelnder Putz, zerfallenes Mobiliar und eine Underground-Galerie erstklassiger Graffiti oder auch drittklassiger Schmierereien. Hotels, Kirchen, Schulen, Fabriken – Welter kennt die eindrucksvollsten, teils gespenstischen der rund 40.000 bis 60.000 Gebäude, die in Detroit abgerissen oder komplett saniert werden müssen.