Säbelrasseln der RIAA beeindruckt Tauschbörsianer weniger als erwartet

Obwohl die RIAA drakonische Strafen für das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Songs aus Tauschbörsen angedroht hat, geht der P2P-Tauschrausch unvermindert weiter.

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Von
  • Volker Zota

Die Androhung drakonischer Strafen seitens der Recording Industry Association of America (RIAA) mit bis zu 150.000 US-Dollar pro heruntergeladenem Song scheint wenig zu fruchten. Laut US-amerikanischen Medienberichten tummelten sich zwar am Tag nach der angedrohten massiven Attacke gegen Musiktauscher sichtlich weniger Anwender in den großen Tauschbörsen, inzwischen steige die Zahl der Nutzer aber wieder deutlich an. Noch ist das alte Niveau aber nicht erreicht: Momentan sind "nur" 3,6 Millionen User bei Kazaa online, die immerhin eine Dreiviertelmilliarde Dateien zum Tausch feilbieten (im Schnitt also etwa rund 230 Songs bzw. Dateien). Zu Rekordzeiten verzeichnete Kazaa in der Regel vier bis fünf Millionen Tauschbörsianer gleichzeitig.

Offenbar glaubt der Großteil der P2P-Nutzer nicht so recht daran, dass die Musikbranche ihre überzogenen Forderungen vor Gericht durchsetzen könnte -- und wenn, dann wird es schon jemand anderen treffen und nicht einen selbst. Wenigstens dürfen die ersten Tauschbörsianer, die sich vor Gericht verantworten müssen, mit Unterstützung diverser Verbraucherorganisationen rechnen, allen vorn die Electronic Frontier Foundation (EFF). Sie forderte die User auf, mit einer Mail-Aktion den Kongress dazu zu bringen, Beratungen darüber abzuhalten, wie die Künstler entschädigt werden können, ohne das Internet zu zerstören oder 60 Millionen US-Amerikaner zu kriminalisieren.

Sollte die amerikanische Musikindustrie tatsächlich, wie angekündigt, noch im Sommer individuelle Tauschbörsen-Nutzer verklagen, wird der US-Kongress vermutlich sowieso nicht umhin kommen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, denn die RIAA wird es nicht dabei belassen, einige wenige Tauschbörsianer anzuzeigen, sondern den Gerichten vermutlich gleich zigtausend Fälle vorlegen, in denen sie den Anwendern Urheberrechtsverletzungen vorwirft.

Aber auch dann ist nicht zu erwarten, dass der weltweite Tauschrausch nachlässt. Dazu bedürfte es weltweit vergleichbarer Aktionen, etwa von der internationalen Vereinigung der Musikindustrie (International Federation of the Phonographic Industry, IFPI). Die schlägt aber eher leisere Töne an als die RIAA. Der IFPI-Vorsitzende Jay Berman betonte zwar, dass diejenigen, die ohne Erlaubnis urheberrechtlich geschützte Musik im Internet anbieten, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, verstieg sich aber nicht in übertrieben hartes Durchgreifen. Er sagte, die internationale Musikindustrie müsse sich verstärkt für legale Musikangebote im Netz einsetzen. Daher habe man die Seite Pro-Music ins Leben gerufen, um legale Online-Musik zu fördern und die Anwender aufzuklären.

Im Zuge dieser Kampagne dürfte der IPFI der überraschend erfolgreiche Start von Apples iTunes Music Store gerade recht kommen. Leider können vorerst nur Besitzer einer US-Kreditkarte die Apple-Songs erwerben. Aber obwohl sich der Europa-Start des Music Store verzögert, müssen Musikfans auch hierzulande nicht notgedrungen auf Tauschbörsen ausweichen. Mit Popfile.de und den vom britischen Musikdistributor OD2 belieferten Angeboten Hotvision, Tiscali und Karstadt stehen gleich mehrere legale Angebote bereit. Emusic, der spanische Anbieter Weblisten und das russische AllOfMP3 runden das Spektrum der von Deutschland aus zugänglichen kommerziellen Musikangebote ab. Diese unterscheiden sich in puncto Bedienfreundlichkeit, Songrepertoire und -qualität jedoch erheblich.

Zur Attacke der Musikindustrie auf die Tauschbörsen siehe auch:

Einen ausführlichen Testbericht zu den Online-Musikangebote bringt c't in Ausgabe 14/2003 (ab Montag, den 30. Juni, im Handel):

  • Wurlitzer online -- Neun kommerzielle Musik-Download-Dienste im Vergleich, S. 130

Dieser Beitrag enthielt im Original einen Link auf die russische Musik-Downloadplattform AllofMP3. Die Musikindustrie hatte gegen AllofMP3 eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht München I erwirkt, im dem AllofMP3 untersagt wird, nach deutschem Urheberrecht geschützte Aufnahmen im Web zum Download bereitzustellen. Aufgrund der Entscheidung des OLG München in dem Verfahren der Musikindustrie gegen Heise sieht der Verlag derzeit juristisch keine Möglichkeit, den Link weiter anzubieten. Der Heise Zeitschriften Verlag bedauert diese erhebliche Einschränkung der Pressefreiheit. (vza)