Schweizer E-Voting soll wieder flottgemacht werden

Die Schweizer Bundesregierung, der Bundesrat, will dem auf Eis gelegten Projekt E-Voting neues Leben einhauchen – mit verifizierbaren Systemen.

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(Bild: Morocko/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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In der Schweiz können nach einer Neuausrichtung des Versuchsbetriebs wieder begrenzte Tests mit der elektronischen Stimmabgabe durchgeführt werden. Diesen Beschluss des Bundesrats teilte Walter Thurnherr von der projektverantwortlichen Bundeskanzlei in dieser Woche mit.

Im Sommer 2019 hatte der Bundesrat entschieden, dass das sogenannte E-Voting vorläufig nicht als ordentlicher Stimmkanal eingeführt wird. Der Druck wurde noch verstärkt, nachdem die große Kammer des Schweizer Parlaments, der Nationalrat, im Dezember 2019 verlangt hatte, den Versuchsbetrieb von E-Voting einzustellen. Wie genau das vergangene Jahr zunächst gescheiterte E-Voting wieder flottgemacht werden soll, ist derzeit allerdings noch unklar.

Nach anhaltender massiver Kritik verschiedener Sicherheits- und Kryptografie-Experten wegen erheblicher Mängel im Quellcode des zuletzt übrig gebliebenen Elektronischen Wahlsystems der Schweizerischen Post stellte diese ihr Vorhaben bereits im Juli 2019 ein. Das E-Voting-System basierte auf Software des kommerziellen spanischen Herstellers Scytl. Ursprünglich standen drei konkurrierende E-Voting-Systeme zur Verfügung.

Die Schwachstellen im Votingsystem der Post wurden 2019 unter anderem in einem öffentlichen Intrusionstest (Public Intrusion Test – PIT) entdeckt. Die Sicherheitsfehler betrafen unter anderem die "universelle Verifizierbarkeit" der Stimmen, sodass eine unbemerkte Manipulation des Wahlergebnisses möglich gewesen wäre.

Doch war das Thema niemals komplett zu den Akten gelegt worden. In der Eidgenossenschaft haben seit 2004 in über 300 Versuchen insgesamt 15 Kantone einem Teil ihrer Stimmberechtigten die elektronische Stimmabgabe ermöglicht. Der "dritte Stimmkanal" soll insbesondere für "Auslandsschweizer" eingeführt werden.

Der Bundesrat beauftragte im Sommer 2019 nach der (vorübergehenden) Einstellung der Versuche die Bundeskanzlei noch, bis Ende 2020 mit den Kantonen eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs für E-Voting zu konzipieren. Ziel sei der Aufbau eines stabilen Versuchsbetriebs.

Am 30. November 2020 verabschiedeten Bund und Kantone einen Bericht und einen dazugehörigen Maßnahmenkatalog zur Neuausrichtung und Wiederaufnahme der Versuche. Laut Bundeskanzlei wurden die Grundlagen dazu im Dialog mit der Wissenschaft und Industrie erarbeitet.

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Künftig will der Bund nur noch vollständig verifizierbare Systeme zulassen. Dies sei wichtig, um die Sicherheit von E-Voting zu gewährleisten, teilte die Bundeskanzlei am Montag mit. Die vollständige Verifizierbarkeit erlaube es, Manipulationen an den elektronisch abgegebenen Stimmen festzustellen. Die Sicherheit der E-Voting-Systeme soll durch präzisere Sicherheitsvorgaben gestärkt werden.

Weiter schreibt die Bundeskanzlei, dass obendrein erhöhte Transparenzvorschriften und ein verstärkter Einbezug von unabhängigen Fachpersonen in die Konzeption, Entwicklung und Prüfung von E Voting-Systemen dazu beitragen sollen, einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren. Zur Unterstützung dieses Prozesses soll auch der Dialog mit der Wissenschaft verstetigt werden. An der im Sommer 2020 gestarteten und letzten Monat abgeschlossenen (Online-)Diskussion hatten sich 23 in- und ausländische Expertinnen und Experten aus Informatik, Kryptografie sowie Politikwissenschaften beteiligt, teilte der Bund mit.

Die Fachleute seien laut der Bundeskanzlei der Ansicht, dass in der Schweiz im bisherigen Versuchsbetrieb schon viel erreicht wurde. Viele könnten sich vorstellen, dass E-Voting sich bis in 15 Jahren als vertrauenswürdiger Stimmkanal etabliert haben wird, heißt es. Doch einige wären sich auch nicht sicher, dass E-Voting das nötige Vertrauen gewinnen kann.

Handlungsbedarf sehen die Experten vor allem bei der Sicherheit und Transparenz der Systeme sowie ihrer unabhängigen Überprüfung. Auch die öffentliche Überprüfung wird als sehr wichtig beurteilt. Statt eines Public Intrusion Tests empfehlen die Experten Hackathons oder ein ständig laufendes Bug-Bounty-Programm, bei dem finanziell belohnt wird, wer einen Fehler findet. Für künftige Systeme und Systembestandteile, die nun zu entwickeln seien, strebt der Bund die Publikation unter einer Open-Source-Lizenz an.

Dann sollen auch drei Kantone, St. Gallen, Freiburg und Thurgau, im Frühling 2022 wieder Versuche mit E-Voting durchführen. Außerdem sollen in der nächsten Phase des Versuchsbetriebs in den einzelnen Kantonen höchstens 30 Prozent und national insgesamt höchstens 10 Prozent aller Stimmberechtigten zum E-Voting zugelassen werden. Jeder Kanton soll weiterhin selber entscheiden können, ob er solche Versuche durchführen möchte.

Eine Unterschriftensammlung für eine Volksabstimmung, die für mindestens fünf Jahre ein E-Voting-Moratorium erreichen wollte, respektive forderte, dass E-Voting so lange verboten werden solle, bis es mindestens so sicher gegen Manipulationen ist wie eine Stimmabgabe an der Urne, wurde bereits im Sommer wegen Schwierigkeiten bei der Sammlung aufgrund der Corona-Situation eingestellt. Die erforderliche Zahl der Unterschriften konnte deshalb bis zum Ablauf der Frist Anfang Dezember nicht eingereicht werden.

(emw)