Screenshots könnten Meta teuer kommen in Kanada

Facebook sperrt in Kanada Links auf Nachrichtenseiten, um eine Linksteuer zu vermeiden. Jetzt posten die User Screenshots. Das könnte die Steuer doch auslösen.​

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Das Wort "news" getippt auf einem in einer Schreibmaschine eingespannten Blatt Papier

(Bild: Laurel Bratcher/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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Kanadas Regierung möchte Meta Platforms doch noch für die Linksteuer zur Kasse bitten. Der Betreiber von Facebook und Instagram soll einen womöglich neunstelligen Betrag zahlen, weil die Nutzer die von Meta in Kanada verhängte Nachrichtensperre umgehen. User in Kanada sehen seit Dezember keine Hyperlinks auf Nachrichten mehr; stattdessen posten sie nun Screenshots von Nachrichtenartikeln, kopieren deren Text in eigene Posts, oder verlinken auf Postings in anderen (nicht besteuerten) sozialen Netzen, wo dann ein Hyperlink zur Nachrichtenquelle wartet.

Damit, so die von der liberalen Partei geführte und den Sozialdemokraten unterstütze Minderheitsregierung, erfülle Meta den Tatbestand der im Dezember eingeführten Linksteuer: Das Verfügbarmachen von Nachrichten. Um Copyright geht es dabei nicht; Rechtsbruch durch Veröffentlichung fremder Werke wäre separat abzuhandeln und hat mit der Linksteuer nichts zu tun.

Die Linksteuer ist ein bislang gescheiterter Versuch, zwei Unternehmen dazu zu zwingen, etwa 30 Prozent der gesamten Kosten für die Erstellung von Nachrichteninhalten in Kanada zu finanzieren. Google und Meta sollten weit über 300 Millionen Kanadische Dollar (über 200 Millionen Euro) jährlich dafür zahlen, dass sie ihre User auf Nachrichten hinweisen lassen, selbst wenn die Nachrichten nur in einem Livestream abrufbar waren oder hinter einer Bezahlschranke stehen.

Doch bislang zahlt niemand Kanadas Linksteuer. Meta hat auf seinen Angeboten in Kanada die ohnehin geschäftsschädigenden Hyperlinks zu Nachrichtenquellen gesperrt. Medienforscher schätzen, dass dies kanadischen Medienunternehmen täglich elf Millionen Views kostet. Google drohte mit der Einstellung des werbefreien Angebotes Google News Canada, woraufhin die Regierung eine Ausnahmegenehmigung von der Linksteuer erteilte. Google zahlt einen kleineren Betrag in einen Fonds ein, aber niemand zahlt die umstrittene Linksteuer. Weil der von Facebook und Instagram zugeführte Traffic fehlt, erleiden die Nachrichtenverlage erhebliche Einnahmenverluste, und das Zeitungssterben geht weiter. Dabei haben Medienverbände jahrelang für die Linksteuer lobbyiert.

Die kanadische Regierung ist sauer auf Meta und hat eine Untersuchung der Wettbewerbsbehörde eingeleitet. Und jetzt hat die zuständige Kulturministerin Pascale St-Onge der eigentlich unabhängigen Regulierungsbehörde CRTC (Canadian Radio-television and Telecommunications Commission) signalisiert, wegen der geposteten Screenshots doch bitte ein Linksteuer-Verfahren gegen Meta einzuleiten. Die Regulierungsbehörde reagierte mit einer Einladung, jemand möge Anzeige erstatten und Beweise vorlegen.

Tatsächlich dürfte der Gesetzestext die Auslegung der Regierung decken: Der Tatbestand der Verfügbarmachung von Nachrichteninhalten ist so weit gefasst, dass schon die Reproduktion von Nachrichtenteilen in Form von Screenshots oder Zitaten die Steuer auslösen kann – wahrscheinlich auch dann, wenn das gegen die Nutzungsbestimmungen Metas verstößt. Ob auch Hyperlinks auf andere Dienste, die dann wiederum auf Nachrichtenseiten verlinken, erfasst sind, ist unklar.

Offen ist auch, wie sich Meta dagegen wehren kann, dass die User durch ihre Postings sowohl Copyright verletzen als auch die Linksteuer auslösen. Theoretisch könnte schon ein einzelnes durchgerutschtes Posting hohe Steuerlast verursachen, da sie sich nicht an Umsätzen, Gewinnen, oder der Zahl der Postings orientiert. Die Höhe der Zahlung soll in Verhandlungen zwischen Meta und Medienunternehmen festgelegt werden; scheitert dies, soll die Regulierungsbehörde einen Betrag festlegen. Die Regierung erwartet mehr als 100 Millionen Dollar.

Bis diese Verfahren abgeschlossen sind, wissen weder Meta noch die Verlage, um wie viele Millionen es konkret geht. Und bis das feststeht, könnte die Steuer bereits wieder abgeschafft sein. Die oppositionellen Konservativen haben die Abschaffung der Linksteuer (wie auch der CO₂-Steuer) versprochen, wenn sie an die Macht kommen. Meinungsumfragen prophezeien der Partei einen Erdrutschsieg. Gewählt wird voraussichtlich 2025.

Unterdessen hat die amtierende Regierung Ende Juni eine weitere Online-Steuer eingeführt, die grundsätzlich auch von den Konservativen vorgeschlagen wurde: Erwirtschaftet ein Unternehmen, das weltweit mehr als 750 Millionen kanadische Dollar Jahresumsatz macht, in Kanada Umsätze mit dem Betrieb von Online-Marktplätzen, sozialen Netzen, der Vermittlung von Online-Werbung oder der Verwertung von Nutzerdaten, muss es drei Prozent dieser kanadischen Umsätze als Digital Services Tax abliefern. Für die ersten 20 Millionen Dollar gilt ein jährlicher Freibetrag.

Die Beträge sind so gewählt, dass möglichst keine kanadischen Unternehmen den Digital Services Tax zahlen müssen, wohl aber US-Konzerne. Die US-Regierung bereitet daher Vergeltungsmaßnahmen vor. Am Ende dürften kanadische Unternehmen den überwiegenden Teil der Zeche zahlen: Google Ads hebt ab Oktober einen Kanada-Zuschlag in Höhe von 2,5 Prozent ein.

Eine Überraschung ist das nicht. Solche Zuschläge von zwei bis sieben Prozent verrechnet Google für Werbebuchungen bereits in Österreich, Frankreich, Indien, Italien, Spanien, der Türkei und dem Vereinigten Königreich, die ähnliche Steuern auferlegen. Aufgrund seiner Marktmacht bei Online-Werbung muss Google dabei keine nennenswerten Einnahmenverluste fürchten. So wie Meta keinen Nachteil aus der Sperre von Hyperlinks auf fremde Nachrichtenseiten erleidet, sondern wahrscheinlich von längerer Verweildauer der User auf Facebook und Instagram profitiert. Ein Lichtblick: Der Anteil an Misinformationspostings soll sich in kanadischen Facebook-Gruppen halbiert haben.

Bereits im September tritt eine weitere Steuer in Höhe von fünf Prozent in Kraft: Die Streaming-Steuer soll in Kanada Kabel-TV, kommerzielles Radio und Musik subventionieren. Auch diese Maßnahme lieferten den Konservativen Munition für den Wahlkampf gegen die liberale Regierung.

(ds)