Shell siegt vor Gericht gegen Klimaschützer
In erster Instanz gewannen Klimaschützer gegen Shell. Der Konzern sollte seinen CO₂-Ausstoß drastisch senken – und wehrte sich weitgehend erfolgreich.
- Martin Franz
- mit Material der dpa
Für den britische Öl- und Erdgaskonzern Shell ging es um kaum weniger als seine Geschäftsgrundlage. 2021 hatten Umweltschützer vor Gericht einen Sieg errungen. Shell sollte seinen CO₂-Ausstoß deutlich senken. Nun kassierte ein Zivilgericht in Den Haag das historische Urteil, stellte Shell allerdings keinen Freibrief aus. Für den Konzern ist die wichtigste Nachricht aber der Kern dieser Entscheidung: Er muss seinen CO₂-Ausstoß nicht drastisch reduzieren.
Das Klimaverfahren in Den Haag hatte weltweit Aufmerksamkeit erregt, vor allem nach dem überraschenden historischen Sieg der Klimaschützer in erster Instanz. Eine neue Verurteilung von Shell hätte Folgen auch für andere Unternehmen haben können. 2021 hatten die Zivilrichter in Den Haag den Klägern recht gegeben und Shell zur umfassenden CO₂-Reduzierung verpflichtet – netto 45 Prozent weniger als 2019. Erstmals war ein Unternehmen auch für die indirekten Emissionen, nämlich den Ausstoß seiner Zulieferer und Kunden verantwortlich gemacht worden. Die Klage war in den Niederlanden eingereicht worden, da Shell zum Zeitpunkt der Klage auch einen Sitz in Den Haag hatte.
Shell begrüßt Entscheidung
Shell hatte gegen das Urteil in erster Instanz Berufung eingelegt und begrüßte das Urteil. "Das ist unserer Ansicht nach das Richtige für die weltweite Energiewende, für die Niederlande und für unser Unternehmen", sagte Shell-Chef Wael Sawan. Shell halte am Ziel fest, seinen Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um die Hälfte zu senken. Die Kläger sind tief enttäuscht. "Das tut weh", sagte der Direktor der Umweltschutzorganisation Milieudefensie, Donald Pols. Doch die Organisation will weiter kämpfen und "große Verschmutzer wie Shell angehen". Es ist noch nicht entschieden, ob Milieudefensie in die Revision bei der höchsten Instanz geht.
Kläger Pols sah aber auch positive Elemente in dem Urteil. "Wir sehen auch, dass dieses Verfahren dafür gesorgt hat, dass große Verschmutzer nicht unantastbar sind." Die Richter hatten auch den Umweltschützern in wesentlichen Punkten recht gegeben. Der Schutz vor den schädlichen Folgen des Klimawandels sei ein Menschenrecht. Die Richter sehen auch Unternehmen wie Shell in der Verantwortung, diese Rechte zu wahren. Sie stellten fest, dass gerade Konzerne wie Shell wesentlich zum Klimawandel beigetragen haben. Shell habe die Pflicht, sich für den internationalen Klimaschutz einzusetzen.
Keine Grundlage für Verpflichtung
Doch eine konkrete Verpflichtung sprach das Gericht nicht aus. Es gebe keine Grundlage, dem Konzern einen konkreten Prozentsatz zur Senkung des Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) aufzuerlegen. Das wäre demnach auch wenig effektiv. Es ging konkret um die Emissionen, für die Shell direkt verantwortlich ist, etwa bei der Produktion von Öl und Gas. Da sei das Unternehmen bereits auf gutem Weg, sagten die Richter. Es erfülle bereits die Forderungen und wolle bis 2030 selbst eine Reduzierung von 50 Prozent erreichen.
Knackpunkt bei der Klage aber waren der weitaus größte Teil des Ausstoßes, die indirekten CO₂-Emissionen, also die aus den Aktivitäten von Kunden resultieren, etwa Energiezentralen oder Fluggesellschaften oder Autofahrer, die Shell-Benzin tanken. Wenn Shell weniger Öl und Gas fördern oder liefern würde, argumentierten die Richter, dann würden andere Unternehmer wahrscheinlich in die Lücke springen. "Andere Unternehmen würden dann den Handel übernehmen. Am Ende würde damit keine Reduzierung von CO₂-Emissionen erreicht", stellten die Richter fest.
Im Kleinen heißt das auch: Wenn Shell seine Tankstellen schließen müsste, würden Autofahrer schlicht zu einer anderen Tankstelle gehen. Auch der Verbrauch von Kohle könnte zunehmen. Wenn Shell einer Energiezentrale kein Gas mehr liefern würde, dann wäre das gut für die CO₂-Bilanz von Shell. Doch wenn die Zentrale stattdessen Strom mit Kohle erzeugt, wäre das deutlich schlechter fürs Klima. Denn Kohle ist schädlicher als Gas. Welche Folgen dieses Urteil nun auf andere Verfahren haben wird, ist unklar. Denn es gibt weltweit ähnliche Klagen gegen Unternehmen.
Globaler CO₂-Ausstoß steigt
Das Statistische Bundesamt hat für das vergangene Jahr einen globalen CO₂-Ausstoß von rund 39 Milliarden Tonnen vermeldet. Bei der CO₂-Emission pro Kopf führte demnach Saudi-Arabien mit 17,2 Tonnen vor Kanada (14,9) und der Russischen Föderation (14,5). Deutschland lag mit 7,1 Tonnen CO₂ je Einwohner auf dem neunten Platz. Im privaten Sektor dominieren hierzulande unverändert die Beheizung von Wohnraum und Mobilität die CO₂-Emissionen.
Lesen Sie mehr zum Thema Klimaschutz
Studie: Weltweiter Flugverkehr verpasst Klimaziele deutlich
COP29: Digitale Technologien als Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel
Öl-, Gas- und Kohleverbrauch steigt weiter – Trendumkehr nur in einigen Regionen
Flottenverbrauch: Frankreich will Strafen für Autoindustrie verhindern
Erneuerbare soll weltweit in zehn Jahren zu Nutzung fossiler Energie aufholen
(mfz)