Sommers Kronprinz Ricke tritt ein schweres Erbe an

Trotz seiner Nähe zur Arbeitnehmerseite wird Kai-Uwe Ricke als neuer Telekom-Vorstandschef keinen Schmusekurs fahren können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tim Braune
  • dpa

Nach monatelanger Suche scheint die Führungskrise bei Europas größtem Telekomkonzern erst einmal zu Ende. T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke, am heutigen Donnerstag zum Vorstandschef gekürt, soll die Deutsche Telekom in eine bessere Zukunft führen. Seit dem Rücktritt Ron Sommers im Juli wurde im In- und Ausland verzweifelt nach einem Nachfolger gesucht. Doch Indiskretionen und Schulden in Milliardenhöhe machten den Konzern für die angesprochenen Top-Manager unattraktiv.

Der 41-jährige Ricke, seit Mai 2001 im Vorstand für Handy und Internet zuständig, tritt ein schweres Erbe an. Der gigantische Schuldenberg der Telekom von rund 64 Milliarden Euro wird ihm in den nächsten Jahren kaum Spielraum lassen. Die Devise heißt: Sparen, sparen, sparen. Bis Ende 2003 will die Telekom die Schulden auf 50 Milliarden Euro drücken. Doch noch klafft im Sanierungsplan eine Finanzierungslücke von sieben Milliarden Euro. Um Geld in die Kasse zu bringen, planen Vorstand und Aufsichtsrat, die Dividende für 2002 zu streichen. Das ärgert zwar den Großaktionär Bund und drei Millionen Kleinaktionäre, bringt aber etwa 1,5 Milliarden Euro zur Schuldentilgung.

Übergangschef Helmut Sihler legt am Donnerstag die Neun-Monats-Bilanz mit dem erwarteten Rekordverlust von bis zu 28 Milliarden Euro vor. Der Wert von teuer eingekauften UMTS-Lizenzen und Auslandstöchtern muss korrigiert werden. Damit hält der 72-jährige Ex-Henkel-Manager den Kopf für die Fehler der Vergangenheit hin und erspart dem Youngster unangenehme Schlagzeilen. Zuvor hatte er bereits den Gewerkschaften die schlechte Nachricht überbracht, dass bis Ende 2005 weltweit 55.000 Stellen beim Rosa Riesen wegfallen.

Eine der heikelsten Aufgaben wartet auf den neuen Mann ausgerechnet in der Mobilfunksparte. Gemeinsam mit Sommer hatte Ricke im Jahr 2000 den spektakulären und vielfach kritisierten Kauf des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream eingefädelt. Der gewaltige Kaufpreis von 40 Milliarden Euro ließ nicht nur den Kurs der T-Aktie einbrechen, sondern auch die Schulden steigen. "Das belastet sein Image schon. Er hat ja Sommers Strategie voll mitgetragen", kritisiert der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker. Dennoch habe Ricke eine faire Chance verdient.

"Ricke ist kein Sonnyboy wie Sommer, sondern ein umsichtiger Denker. Das schätzen die Leute", ist aus Aufsichtskreisen zu hören. Seine engsten Mitarbeiter loben den kooperativen Führungsstil und Humor des Mannes, der in Krefeld geboren wurde. Trotz seiner Nähe zur Arbeitnehmerseite wird Ricke aber keinen Schmusekurs fahren können. Um das Vertrauen der Kapitalmärkte und der tief enttäuschten Kleinaktionäre zurückzugewinnen, muss er ohne Rücksicht Kosten senken. Zugute kommt ihm dabei, dass er Europas größten Telekommunikationskonzern wie seine Westentasche kennt. Schon sein Vater Helmut saß zwischen 1989 und 1994 auf dem Chefsessel der Telekom, einem der einflussreichsten Jobs in der deutschen Wirtschaft. Sommer holte Ricke junior, Absolvent der European Business School (Schloss Reichartshausen), im Mai 2001 in den Vorstand. (Tim Braune, dpa) / (jk)