Die Telekom in der Zwickmühle: Kein neuer Chef in Sicht

Auch wenn mit dem Vorstandsvorsitz beim größten europäischen Telekommunikationsunternehmen ein prestigeträchtiger Posten neu zu besetzen ist, gilt der Chefsessel bei der Telekom doch als Schleudersitz.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef für die Deutsche Telekom gerät der Aufsichtsrat des Unternehmens immer mehr in die Zwickmühle. Von den in Frage kommenden deutschen Top-Managern winkt einer nach dem anderen ab. Auch wenn ein prestigeträchtiger Posten mit großer Wirkung in der Öffentlichkeit neu zu besetzen ist, gilt der Vorstandsvorsitz beim größten europäischen Telekommunikationsunternehmen als Schleudersitz.

Zuletzt hatte Post-Chef Klaus Zumwinkel dem Bonner Konzern einen Korb gegeben. Auch der unlängst ins Spiel gebrachte frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und Porsche-Sprecher Wendelin Wiedekind lehnten dankend ab. Die Creme de la Creme der deutschen Wirtschaft will sich an den anstehenden heiklen Aufgaben offenbar nicht die Finger verbrennen. Bei manchen Kandidaten hat vermutlich auch das politische Gezerre im Vorfeld des Rücktritts von Telekom-Chef Ron Sommer einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen.

Dem obersten Telekom-Aufseher, Hans-Dietrich Winkhaus, und Übergangs-Chef Helmut Sihler läuft die Zeit davon. Im November will Sihler nicht nur erste konkrete Schritte zum Umbau des hochverschuldeten Unternehmens präsentieren, sondern auch den neuen Konzernchef. "Die erarbeiten ein Sanierungskonzept und der Neue soll es dann umsetzen", schimpft ein Branchenkenner über die stümperhafte Kandidatensuche. In Ermangelung von Alternativen wird eine interne Lösung immer wahrscheinlicher. Als Favorit gilt dabei Mobilfunkchef Kai-Uwe Ricke. Neben Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick ist der 41-jährige Manager der strategische Kopf im Vorstand. Doch der Aufsichtsrat bevorzuge eine externe Besetzung, die für einen Neuanfang bei der Telekom stehen würde, heißt es in der Branche.

Gegen Ricke spricht nach Ansicht von Experten nicht nur sein Alter, sondern auch die Nähe zum Ex-Telekom-Chef Ron Sommer. Gemeinsam mit diesem hatte er die vielfach kritisierte Übernahme des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream eingefädelt. Der sündhaft teure Zukauf wird für den dramatischen Absturz der T-Aktie mit verantwortlich gemacht. Jetzt steht möglicherweise ein teilweiser oder vollständiger Ausstieg aus dem US-Geschäft bevor, um die enorme Schuldenlast zu drücken. Nachgedacht wird bei der Telekom unter anderem über eine Fusion von VoiceStream mit einem Konkurrenten wie AT&T Wireless oder Cingular. Dabei würde der Konzern allerdings die Mehrheit an der US-Tochter einbüßen. Doch der weltgrößte Mobilfunkkonzern Vodafone, der beim US-Marktführer Verizon in der Minderheit ist, macht vor, dass es auch so geht.

In Europa dagegen setzt die Telekom ihre bisherige Strategie fort. So übernahm das Unternehmen unlängst die Mehrheit an dem niederländischen Mobilfunkanbieter Ben. Interessiert sind die Bonner auch an einer Aufstockung ihrer Anteile an der polnischen PTC auf eine Mehrheit. Die PTC ist neben der russischen MTS der größte Mobilfunkanbieter in Mittel- und Osteuropa.

Dennoch lautet das von Sihler ausgegebene Ziel: sparen, sparen, sparen. Bis Ende 2003 soll der Schuldenberg um rund 15 Milliarden auf 50 Milliarden Euro abgetragen werden. Dabei werden nicht nur Investitionen zusammengestrichen, sondern auch Arbeitsplätze. Betroffen ist vor allem der Festnetzbereich (T-Com), derzeit die einzig profitable Sparte der Telekom. Der bis 2005 beschleunigte Abbau von 30.000 Stellen wird vor allem die T-Com treffen. Insgesamt beschäftigte die Telekom Ende Juni weltweit 255.000 Menschen.

Beim Verkauf des verbleibenden TV-Kabelgeschäftes wird der erwartete Geldsegen aber ausbleiben. Der vor einem Jahr mit dem US-Medienkonzern Liberty Media geschlossene Vertrag in Höhe von 5,5 Milliarden Euro scheiterte Anfang dieses Jahres an den Einwänden des Kartellamtes. Derzeit befindet sich die Telekom mit drei Konsortien in Verhandlungen. Die gebotenen Preise sollen nicht höher liegen als 2,4 Milliarden Euro. (Peter Lessmann, dpa) / (jk)