Landesmedienanstalten vs. Spotify – ein wegweisender Rechtsstreit
Wer reguliert wen in der digitalen Medienwelt? Ein Rechtstreit zwischen Spotify und den deutschen Landesmedienanstalten wirft grundsätzliche Fragen auf.
In der alten Medienwelt schien es relativ klar: Medien unterliegen grundsätzlich der Regulierung überall dort, wo sie erscheinen. Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, die in Bayern, Berlin, Belgien und Schweden erschienen, mussten jeweils vor Ort die entsprechenden Gesetze einhalten. In Deutschland waren Medien immer die Zuständigkeit der Bundesländer, da das Grundgesetz das so vorsieht. Und Medien und Kultur sind europäisch ausdrücklich nicht vollharmonisiert. Doch in der digitalen Welt ist die Lage äußerst kompliziert. Denn was ist überhaupt ein Medium oder ein Medienverbreiter? Und was jener Ort, an dem die relevante Regulierung greift, am Ort des Entstehens oder dem der Verbreitung? Ein Rechtsstreit zwischen der Audioplattform Spotify und den Landesmedienanstalten könnte nun für etwas mehr Klarheit im Nebeneinander und Durcheinander sorgen.
Spotify wandte sich an das Verwaltungsgericht Berlin, um gegen Pflichten aus dem Medienstaatsvertrag der Länder vorzugehen: Die Länder haben in dem Staatsvertrag Vorgaben geschaffen, welchen Pflichten Rundfunk, Anbieter von Telemedien und Plattformen, auf denen redaktionell-journalistische Angebote ausgespielt werden, nachkommen müssen.
Spotify, ein Medienintermediär nach deutschem Recht?
Da Spotify nicht nur Eigenproduktionen, sondern auch Podcasts Dritter zum Abruf zur Verfügung stelle, handele es sich aus ihrer Sicht um einen "Medienintermediär", so die Auffassung der Landesmedienanstalten. Damit müsste Spotify unter anderem Transparenzpflichten und Nichtdiskriminierungspflichten nachkommen: Der Anbieter müsste darlegen, nach welchen Kriterien "Aggregation, Selektion und Präsentation" stattfinden – und auch über die Funktionsweise dabei eingesetzter Algorithmen verständlich aufklären. Zudem würde mit den Antidiskriminierungs-Vorgaben auch die Möglichkeit der Firma eingeschränkt, journalistisch-redaktionelle Angebote nach eigenem Gutdünken zu behandeln, also etwa absichtlich seltener auf seinen Plattformen anzuzeigen. Damit sollen Betreiber für Medienvielfalt sorgen müssen. Spotify hält wenig von solchen Vorgaben – und schon gar nicht dem Recht, das die deutschen Bundesländer in ihrer Verfassungszuständigkeit für Medien erlassen haben.
Das Hauptargument, das der Audioanbieter ins Feld führt: Als schwedischer Anbieter unterliege man schwedischem Recht und die Vorgaben des Europarechts für Dienste der Informationsgesellschaft würden eine deutsche Sonderregulierung ausschließen. Für Anbieter innerhalb der EU gelte das Herkunftslandprinzip – im Gegensatz zum Marktortprinzip, also dem Recht des Landes, in dem ein Angebot nutzbar ist. Auch wenn es schon deshalb gar nicht mehr darauf ankomme, sei zudem in Artikel 27 des Digital Services Act ebenfalls eine Transparenzvorgabe für Empfehlungssysteme wie Algorithmen enthalten und damit abschließend geregelt. Denn grundsätzlich gilt: Europarecht geht mitgliedstaatlichem Recht vor.
EuGH soll Klarheit bringen
Das Verwaltungsgericht Berlin folgte vergangene Woche den Argumenten des Audioplattformbetreibers zumindest vorläufig – und setzte die Verpflichtung durch die Landesmedienanstalten bis auf Weiteres aus. Die Richter der 32. Kammer fanden die Rechtsauffassung der Spotify-Anwälte alles andere als abwegig, und kündigten an: Weil die Rechtsauffassungen zu den wichtigen Fragen "in mehrfacher Hinsicht uneindeutig ist, vermag sich die erkennende Kammer bei summarischer Prüfung keiner Ansicht anzuschließen, sondern beabsichtigt vielmehr, die Frage zur Bedeutung und Reichweite dieser unionsrechtlichen Regelung dem EuGH vorzulegen." Sprich: Ob die Bundesländer mit ihrem Medienstaatsvertrag und dadurch die Medienanstalten überhaupt für Spotify zuständig sein können, sollen nun die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klären. Die EU-Kommission hatte bereits frühzeitig Bedenken angemeldet, dass der Medienstaatsvertrag auf Konfliktkurs zum EU-Recht sei.
Prozess könnte noch Jahre dauern
Und Eile, die sehen die Richter ebenfalls nicht als nötig an: Da die Medienanstalten sich für ihre Entscheidung, Spotify als Medienintermediär einzustufen, schon zwei Jahre Zeit gelassen hätten, könne das nicht überzeugend sein – weshalb Spotify ausnahmsweise nicht bis zur Entscheidung in der Sache vorläufig die Anordnung der Medienanstalten umsetzen müsse. Und das dürfte dauern: Sobald die Richter im Hauptsacheverfahren ihre Fragen zur Auslegung des Europarechts beim EuGH vorgelegt haben, würde das dortige Verfahren ausgesetzt. Fällt in Luxemburg dann eines Tages ein Urteil, müsste entsprechend der Auslegung dann in Berlin entschieden werden – schnell dürfte dabei nichts gehen.
Und so könnte sich dieser Streit bis dahin auch auf ganz andere Weise erledigen: Die EU-Kommission wird spätestens 2026 darüber beraten, ob und wenn ja, wie sie die Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste (AVMD) erneut überarbeiten will. Würden darin zum deutschen Recht vergleichbare Regelungen dann im Europarecht festgeschrieben, müsste auch Schweden diese umsetzen.
(nie)