Starlink für Tongas Internet? Zu wenig, zu spät

Seite 3: Starlink beißt sich in den Schwanz

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Sollten die Starlink-Terminals nach Tongatapu geliefert werden, müssten sie nach der Quarantäne auf Tongatapu verteilt und auf die anderen bewohnten Inseln weitertransportiert werden. Auch das kann dauern, und es ist bisher ungeklärt, wer für Geräte, Transport und Internetzugang zahlen darf. Dann könnten die Geräte installiert werden. Doch hat das auf Tonga noch nie jemand gemacht. Nur wenige Einwohner haben überhaupt Erfahrung mit Technik.

Nicht nur müssten sie die Starlink-Geräte so verankern, dass sie in tropischen Unwettern nicht davonfliegen, sie müssten sie auch korrekt platzieren. Während Satellitenschüsseln für geostationäre Satelliten nur eine direkte Sichtverbindung zu einem imaginären Punkt am Himmel benötigen, brauchen Starlink-Empfangsgeräte ein weites, störungsfreies Sichtfeld. Starlink bietet eine App, die hilft, einen Aufstellungsort zu finden. Nun fehlt aber gerade die Internetverbindung zum App Store, weshalb die App auf Tonga nicht einfach und sicher installiert werden kann. So beißt sich die Starlink-Katze in den Schwanz.

Gleichzeitig schreiten natürlich die Reparaturarbeiten am Unterseekabel, das Tongatapu mit Fidschi verbindet, fort. Das Kabelschiff Reliance ist vor Ort im Einsatz. Es widmet sich zunächst dem internationalen Kabel, erst danach dem nationalen Kabel, welches seit 2018 nördlich gelegene Inseln Tongas mit Tongatapu verbindet. Beide Kabel wurden nach dem Vulkanausbruch zerstört. Zum Hergang gibt es neue Erkenntnisse.

Das nationale Kabel führt von Tongatapu nach Norden und ist etwa eine Viertelstunde nach dem Vulkanausbruch ausgefallen. Das dürfte an einem vom Vulkanausbruch ausgelösten Untersee-Erdrutsch liegen. Dieser hat aber nicht das 2013 in Betrieb genommene internationale Kabel beschädigt. Zwischen dem Vulkan und dem internationalen Kabel liegt ein Tiefseeberg, sodass ein Untersee-Hangrutsch des Vulkans kaum zu diesem Kabel durchringen könnte, wie Speidel anhand einer Unterseekarte heise online gezeigt hat.

Die Karte zeigt Tongas Hauptinsel Tongatapu (rechts) und den Vulkan Hunga (oben). Die Zahlen im Meer geben die Meerestiefe an. Die dunkelblauen Balken zeigen Suchfahrten des Kabelschiffe Reliance an. Das Dreieck südlich des Tiefseeberges zeigt den von Speidel vermuteten zweiten Hangrutsch an.

(Bild: Ulrich Speidel/bigoceandata.com)

Das internationale Kabel funktionierte zunächst weiter und ermöglichte beispielsweise die Übermittlung einer inzwischen berühmten Videoaufnahme des Tsunamis. Erst etwa eine Stunde nach dem nationalen Kabel gab auch das internationale Kabel seinen Geist auf. Speidel vermutete einen zweiten, späteren Hangrutsch dieses Tiefseeberges, der unter all den seismologischen Daten des Vulkanausbruchs nicht bemerkt wurde. Also bat er einen Fachkollegen der Universität Auckland um Unterstützung.

Tatsächlich hat der Vulkanologe am Dienstag Daten gefunden, die ein Erdbeben zehn Kilometer unter dem zwischen Vulkan und internationalem Kabel gelegenen Tiefseeberg anzeigen –14 Minuten vor dem Ausfall des Kabels am 15. Januar 2022. Das könnte einen weiteren Untersee-Hangrutsch, viel näher zum internationalen Tonga-Kabel ausgelöst haben, der den verzögerten Ausfall des Kabels und dessen weiträumige Verschiebung erklären würde.

Bereits vergangene Woche hat die Reliance jenes Kabelende gefunden, das nach Tongatapu führt, und außerdem ein 1,2 Kilometer langes Kabelstück. Nach diesem Erfolg hatte die Reliance gehofft, die Reparaturen am internationalen Kabel am Donnerstag, dem 10. Februar, abschließen zu können. Zumindest für die Hauptinsel wäre Starlink dann jedenfalls zu spät gekommen.

Eine Simulation mit starlink.sx zeigt, dass Starlink Tongas Hauptinsel (grüner Punkt rechts unten) oft keine Internetverbindung brächte, und wenn, dann meist keine gute (Qualitätsindikator rechts oben).

(Bild: Screenshot starlink.sx (Ausschnitt mit verbessertem Kontrast))

Leider ist das Seewetter zurzeit recht unfreundlich. Erst Dienstag konnte Reliance das nächste Kabelende finden, ganze 20 Kilometer weit weg. Und dieses Kabel ist womöglich immer noch keine Verbindung nach Fidschi, sondern nach ersten Messungen vielleicht nur ein neun Kilometer langes Fragment. Das berichtet Matangi Tonga Online. Aktuell hofft die Reliance-Besatzung, das internationale Unterseekabel bis 20. Februar flicken zu können.

Erst danach kommt das Binnenkabel zu den anderen Inseln Tongas an die Reihe. Weil es so nahe am Vulkan liegt, könnte sich eine komplett neue, längere Route anbieten. Die Reparaturen könnten sich also hinziehen, insbesondere wenn die Reliance mehr frisches Kabel legen muss, als sie an Bord hat. Das würde eine Fahrt nach Samoa und zurück erforderlich machen, um Kabel zu laden. Dann hätte SpaceX-Chef Elon Musk vielleicht doch Gelegenheit, Starlink auf entlegenen Inseln Tongas unter Beweis zu stellen.

Dr. Ulrich Matthias Speidel stammt aus dem Niederbergischen Land. Er ist Physiker und Informatiker mit besonderem Interesse an Raumfahrt- und Unterwasserthemen. 2007 hat Speidel gemeinsam mit Lars Schulten das über tausend Seiten schwere Standardwerk David Flanagans zu Javascript ins Deutsche übersetzt (siehe iX 4/2008, S. 154).

Speidel kennt Tonga, die in der Region tätigen Netze und deren Betreiber. Unter anderem hat er den ersten aus Tonga stammenden Informatik-Doktoranden betreut. Für APNIC, die regionale Internet-Adressen-Registry der Asien-Pazifik-Region, hat Speidel vergangenes Jahr eine Blogserie zum Thema Satelliten-Internet verfasst.

(ds)