Starlink für Tongas Internet? Zu wenig, zu spät

Nachdem ein Vulkanausbruch Tongas Unterseekabel zerstört hat, soll Starlink mit Satelliten-Internet helfen. Der Beitrag droht, bescheiden auszufallen.

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Starlink-Terminal der 2. Generation mit Router

(Bild: SpaceX)

Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis

SpaceX-Chef Elon Musk will helfen, den pazifischen Inselstaat Tonga nach dem enormen Vulkanausbruch mittels Starlink-Satelliten wieder ans Internet anzuschließen. Die notwendige Bodenstation soll in Fidschi entstehen. Doch so einfach ist das alles nicht, wie heise online im Gespräch mit Ulrich Speidel, Senior Lecturer in Datenkommunikation an der School of Computer Science der University of Auckland in Neuseeland, herausgearbeitet hat: Starlink kommt wahrscheinlich zu spät und leistet für Tonga zu wenig.

Starlink-Satelliten müssen sich mit der Satellitenschüssel des Nutzers einerseits und einer ans Internet angeschlossenen Bodenstation andererseits verbinden. Jeder Satellit leuchtet nur einen begrenzten Teil der Erdoberfläche aus. Solange die Bodenstation nicht viel mehr als 400 Kilometer vom Nutzer entfernt ist, funktioniert das in der Regel gut. Allerdings ist die Südspitze Fidschis circa 750 Kilometer von Tongas Hauptinsel Tongatapu entfernt.

So eine große Distanz ist beim derzeitigen Ausbaustand Starlinks theoretisch machbar; allerdings führt sie dazu, dass die Funksignale einen langen Weg zwischen Boden und Satellit zurücklegen müssen. Je länger dieser Pfad, desto schlechter wird das jeweils empfangene Funksignal. Das beeinträchtigt die Internetverbindung. Bei Starlink kommt hinzu, dass es im Ka- und Ku-Band funkt. Diese Frequenzbereiche sind besonders anfällig für Störungen durch Hindernisse wie Asche und Regen.

Dr. Ulrich Speidel, Senior Lecturer in Datenkommunikation an der School of Computer Science der University of Auckland in Neuseeland, ist Physiker und Informatiker.

(Bild: Universität Auckland)

In der Region ist gerade Sommer, was tropische Regenfälle bedeutet. Außerdem kann der Vulkan Hunga Tonga–Hunga Haʻapai jederzeit erneut ausbrechen. Nicht nur würde dann neue Asche in die Atmosphäre gestoßen, sie würde durch die vorherrschenden Winde auch in Richtung Fidschi getrieben. erklärte Speidel. "Warum möchte Starlink die Bodenstation gerade in Fidschi bauen? Niue ist näher an Tonga und hat ebenfalls Anschluss an ein funktionierendes Unterseekabel." Niue ist eine unabhängige, selbstverwaltete Insel in Assoziation mit Neuseeland.

Nutzer auf den tongaischen Inseln Vava'u sowie Teilen der Haʻapai-Gruppe könnten eine Bodenstation auf Niue direkt nutzen. Für die restlichen Tongaer wäre eine Starlink-Relaisstation auf Vava'u aus Speidels Sicht die ideale Lösung gewesen. Die Daten würden dann zweimal zum Satelliten und zurück wandern, nämlich von Niue via Starlink nach Vava'u, und dann von dort erneut via Starlink-Satelliten zur Hauptinsel Tongatapu und einigen anderen bewohnten Inseln – im Ergebnis immer noch besser, um Tonga mit Starlink wieder ins Internet zu bringen, als es über die Bodenstation auf Fidschi zu versuchen, ist Speidel überzeugt.

Vava'u verfügt über einen internationalen Flughafen, ist das Tourismuszentrum Tongas und wurde abgesehen von Aschefällen kaum vom Vulkanausbruch beschädigt. Und während in Fidschi das Coronavirus tobt, ist Vava'u coronafrei. Zudem ist es gut möglich, dass Bodenstationen auf Niue und Vava'u langfristig betrieben werden dürften, während unklar ist, ob Starlink auf Fidschis Telecommarkt willkommen ist. Die Verhandlungen mit dem örtlichen Netzbetreiber über eine auf sechs Monate begrenzte Standortmiete laufen laut Regierungsangaben noch, von einer nationalen Provider-Lizenz für Starlink ist noch keine Rede.

Starlink hat ein weiteres Problem: die Bahnneigung. Sie führt dazu, dass, vom Boden aus betrachtet, die Satellitendichte um jeweils 53 Grad Nord und Süd besonders hoch, dafür in der Äquatorregion relativ dünn ist. Das führt auf Tonga und anderen Pazifikinseln zu geringer Abdeckung und Datenübertragungs-Kapazität.

Und tatsächlich versorgt Starlink in der Region noch gar keine Kunden, mit Ausnahme Hawaiis, wo Starlink US-Subventionen bekommen hat. Dabei gäbe es rund um den Äquator genügend pazifische Inseln, die keinen Unterseekabel-Anschluss haben und sehr hohe Gebühren für geostationäre Satelliten mit hohen Latenzen zahlen müssen.

Die Webseite starlink.sx zeigt Starlinks Bodenstationen, Satelliten und Zellen an; sie ist keine SpaceX-Webseite, sondern ein Privatprojekt des Feuerwehrmanns und Unternehmers Mike Puchol. Auf dieser Webseite hat heise online testweise eine Starlink-Bodenstation auf Fidschis Südspitze und eine Empfangsstation auf Tongatapu simuliert.

Das Ergebnis ernüchtert: Zu 28 Prozent der Zeit wäre Starlink auf Tongatapu gar nicht nutzbar, nur zu sieben Prozent der Zeit wären die Internetverbindung gut. Puchol kommt mit einer eigenen Simulation mit leicht unterschiedlichen Standorten sogar auf 34 Prozent Totalausfall.

Zudem weist Speidel darauf hin, dass die Berechnungen von starlink.sx optimistisch seien. "Nur weil man einen Satelliten am Horizont gerade noch sieht, bedeutet das nicht, dass man auch eine brauchbare Verbindung bekommt. Außerdem sind Starlinks Bodenstationen bisher immer von einem hohen Metallzaun umgeben. Das verhindert Satellitenkontakt mit flachen Winkeln."