Stellenwechsel: "Gefühl ist wichtiger als Geld"

Seite 2: Konjunktive sind schlechte Ratgeber

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Der Ort ist also das erste und wichtigste Ausschlusskriterium. Was folgt im nächsten Schritt?

Ist die Branche die richtige? Ein Pazifist passt nicht in die Rüstungsindustrie. Dann frage ich meine Klienten, ob sie sich gründlich über die möglichen Unternehmen informiert haben. Stehen in Konzernen eventuell Umstrukturierungen an und hat die Technik eines Start-ups das Potential für Großes? Viele der Herren sagen dann, dass sie auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu nachgelesen haben.

Hilft das?

Da muss ich oft lachen. Diese Art der Information über einen potenziellen Arbeitgeber sehe ich sehr skeptisch, weil solche Bewertungen häufig subjektiv von der Tagesform abhängig und eventuell von unreflektierten Menschen sind. Sich allein daran zu orientieren halte ich für gefährlich. Glaubhafter sind da Aussagen von Menschen, die man in einem Unternehmen kennt und die man fragen kann. Nach meiner Erfahrung kennen sich Experten untereinander; bislang vielleicht noch als Wettbewerber, später sind sie eventuell Kollegen. Wenn man es ernst meint mit einem Wechsel, kann man sich Anfragen nach der groben Unternehmensstruktur und -philosophie ruhig trauen bei den Fachkollegen. Danach geht es tiefer ins Unternehmen, also um den konkreten Job.

Wer sich bewirbt kennt die Anforderungen und Aufgaben aus der Anzeige. Wie ist es bei denen, die angesprochen werden?

Die müssen nachfragen und mit sich selbst anschließend klären: Ist es das, wozu ich bereit bin und was ich wirklich will? Und meint es die Firma ernst mit der Aussicht auf eine Abteilungsleitung, weil der Vorgänger in Pension geht oder ist es ein Lockangebot? Die sind nicht unüblich und sollten vorher abgeklärt werden. Häufig sind Headhunter oder Personalberater dem ersten Bewerbungsgespräch vorgeschaltet. Die kann man anrufen und offen reden. Bekommt man nicht die erhoffte Antwort, rate ich dazu, Einladungen zum Vorstellungsgespräch nicht abzusagen, nur weil man vermutet, dass etwas nicht stimmt. Konjunktive sind schlechte Ratgeber. Mein Tipp ist der: suchen Sie immer zuerst das Gespräch und entscheiden Sie dann. Bei einem Besuch bekommt man ein Gefühl von der Firma, das ist hilfreicher als Vermutungen.

Welche Rolle spielt das Gehalt bei der Entscheidung?

Keine große. Es ist bekannt, dass Führungskräfte mit gefragter technischer Expertise fett bezahlt werden. Selbst bei den Fachkräften ist die Aufgabe wichtiger als das Gehalt, weil das schon per se hoch ist. Ich will nicht sagen, dass Geld bei der Entscheidung für den einen oder anderen Arbeitgeber unwichtig ist, aber es spielt keine ausschlaggebende Rolle.

Ihre Antworten zur Entscheidungsfindung sind eine Mischung aus Fachinformationen und dem Bauchgefühl. Ist das die richtige Kombination?

Absolut! Dafür plädiere ich auch, weil ich es so oft schon erlebt habe, dass immer wieder dieselben Kandidaten mir gegenübersitzen, weil sie sich selbst nicht wahrnehmen mit ihren eigenen Bedürfnissen. Sie sehen nur die Aufgabe, gehen rein rational vor und vergessen ihr Gefühl. Viel zu viele machen sich unglücklich nur wegen einem Streifen mehr auf der Brust. Wenn das Gefühl und die Inhalte stimmen, erst dann passt auch der neue Job. (anw)