Stillstand im Datenschutzrecht moniert

Die zusätzlichen Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden hierzulande nach den Anschlägen des 11. September in den USA eingeräumt wurden, gehören jetzt auf den Prüfstand, fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte.

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Von
  • Richard Sietmann

Bei der Vorlage seines "Tätigkeitsberichts 2003-2004" beklagte der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, am heutigen Dienstag in Berlin die Stagnation bei der Fortentwicklung des Datenschutzrechts in der Bundesrepublik. "Bei der Datenschutzgesetzgebung wurden während der Berichtsperiode leider kaum sichtbare Erfolge erzielt", erklärte Schaar. So gebe es noch immer kein Durchführungsgesetz, das die Anforderungen an Datenschutzaudits regeln soll; und auch das vom Bundestag seit langem geforderte Arbeitnehmerdatenschutzgesetz lasse weiter auf sich warten. Und "bei der angekündigten grundlegenden Modernisierung des Datenschutzrechts", so Schaar, "herrscht Stillstand".

Lediglich das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes sei endlich auf den Weg gebracht worden. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten den Entwurf erarbeitet und im Dezember in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 15/4493). Der Entwurf, der dem Bürger den freien und voraussetzungslosen Zugang zu Akten, Unterlagen und Informationen in der Bundesverwaltung sicherstellen soll, sieht auch vor, dass die neu zu schaffende Aufgabe eines Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit dem Bundesdatenschutzbeauftragten zu übertragen. In der geplanten Doppelfunktion sieht Schaar indes keine Interessenkollision zwischen dem Belangen des Datenschutzes und dem Anspruch auf Transparenz des Verwaltungshandelns. Die beabsichtigte Doppelfunktion gibt es auch in den Bundesländern, die bereits in Informationsfreiheitsgesetz erlassen haben und hätte sich dort bewährt, meint Schaar. "Informationsfreiheit und Datenschutz sind keine unüberbrückbaren Gegensätze, sondern die zwei Seiten der gleichen Medaille, geht es doch in beiden Fällen um Offenheit und Transparenz".

Mit Sorge beobachtet der Bundesdatenschutzbeauftragte, dass die Bundesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" vom März vergangenen Jahres lediglich auf die akustische Wohnraumüberwachung bezieht. Der Grundsatz der Verfassungsgerichtsentscheidung, dass ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung vor jeglicher Überwachung zu schützen sei, hätte jedoch weit über die akustische Wohnraumüberwachung hinaus Konsequenzen, wie zum Beispiel für die Telefonüberwachung. Vor diesem Hintergrund erwartet Schaar, dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Begrenzung und Neuregelung der Telefonüberwachung vorlegt.

Besonders kritisch sieht Schaar die auf europäischer Ebene diskutierte Initiative zur Einführung einer verdachts- und anlassunabhängigen Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für 12 bis 36 Monate, gegen die sich der Deutsche Bundestag mehrfach ausgesprochen hat. "Welche Daten davon erfaßt würden, ist noch völlig unklar", erklärte Schaar und betonte, "es gibt wesentlich datenschutzfreundlichere Ansätze". Als Beispiel nannte er die Praxis in den USA, bei der auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden zwar in begründeten Einzelfällen die elektronischen Daten von den Diensteanbietern weiter zu speichern sind, aber nur herausgegeben werden müssen, wenn innerhalb von neunzig Tagen ein richterlicher Herausgabebeschluss ergeht.

Die zusätzlichen Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden hierzulande nach den Anschlägen des 11. September in den USA eingeräumt wurden, gehören jetzt auf den Prüfstand, fordert Schaar. Er würde es begrüßen, wenn die bei der Evaluation verwendeten Kriterien und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden, damit die politische Debatte auf Basis einer gesicherten Faktenlage geführt werden könne. (Richard Sietmann) / (jk)