Studie: Zerschlagung von Microsoft schadet der Weltwirtschaft

Durch eine Zerschlagung von Microsoft komme es zu Verzögerungen bei der Entwicklung neuer Softwareprodukte und dadurch zu Produktivitätsverlusten in der Wirtschaft.

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Von
  • Jürgen Kuri

Ende Juli hatten die Marktforscher der Giga Information Group festgestellt, Microsoft sei das meistgehasste IT-Unternehmen, nun nehmen sie sich des Software-Konzerns erneut an – diesmal unter dem Aspekt, welche Auswirkungen es hätte, wenn das Urteil im Kartellprozess gegen Microsoft rechtskräftig würde. Und sie sehen schlechte Zeiten auf User und Wirtschaft zukommen: Eine Zerschlagung von Microsoft hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, urteilen die amerikanischen Analysten. Schon heute würden Privatverbraucher und Unternehmen unter den Folgen des Anti-Trust-Prozesses, heißt es in der Studie Microsoft vows to prevail in ongoing DoJ suit, but users are losers long term.

Die Marktforscher begründen ihre Ansicht damit, dass es durch eine Zerschlagung von Microsoft zu Verzögerungen bei der Entwicklung neuer Softwareprodukte und dadurch zu Produktivitätsverlusten in der Wirtschaft kommen werde. Bereits die späte Auslieferung von Windows 2000 führt Giga teilweise auf das Gerichtsverfahren zurück. Künftig müssten sich die Anwender auf noch längere Verzögerungen bei neuen Produkten einrichten, prognostizieren die Analysten.

Sinkende Softwarepreise erwartet Giga auf Grund einer Zweiteilung Microsofts erst recht nicht. Nach Ansicht der Marktforscher wird Microsoft auch künftig die Preisgestaltung an der Maxime "Erst Märkte erobern, dann beherrschen" orientieren. Zunächst würden Wettbewerber mit Niedrigpreisen aus einem Marktsegment heraus gedrängt. Besitze Microsoft dann die dominante Marktposition, werde diese genutzt, um das Preisniveau anzuheben. "Gleichgültig, ob Microsoft aufgebrochen wird oder nicht, werden weder die Regierung noch Microsoft diesen Fall wirklich gewinnen. Das wahre Verbrechen liegt darin, dass auf lange Sicht auch die Anwender und ihre Interessen nicht gewinnen," heißt es in einer Erklärung von Giga zu dem Report.

Microsoft.Net bezeichnet Giga als "goldene Brücke" zwischen der Windows-Ära der Vergangenheit und der Internet-Zeit. Microsoft werde bei einer eventuellen Aufspaltung sein .Net-Konzept nicht in der Windows-Company ansiedeln, sondern in der Applikations- und Internet-Division. Dann bliebe in der gerichtlich erzwungenen eigenständigen Windows-Gesellschaft lediglich noch ein Rest alter Betriebssystemtechniken ohne langfristige Marktrelevanz übrig.

Ob sich die Kartellwächter in den USA von dem Bericht der Marktforscher irritieren lassen, dürfte allerdings fraglich sein: Bislang haben sie das Verfahren trotz mancher Marktuntersuchungen und Umfragen, die sich gegen eine Aufteilung Microsofts aussprachen, konsequent durchgezogen – zumal es auch diverse Stimmen gibt, die anderer Ansicht sind als die Marktforscher von Giga. Auch die EU-Kommission ließ sich bislang von Untersuchungen der Vorgehensweisen von Microsoft auf Verletzung des Wettbewerbsrechts nicht abhalten: Gestern erst eröffnete sie ein offizielles Verfahren, in dem Microsoft vorgeworfen wird, seine marktbeherrschende Stellung bei PC-Betriebssystemen zu benutzen, um eine ähnliche Position bei Server-Systemen zu erlangen. (jk)