T-Online: Mehr Kunden und eine verhagelte Bilanz

Zwar konnte T-Online seine Führungsposition unter den Online-Diensten in Europa weiter ausbauen, steckt aber tief in den roten Zahlen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die hohen Einnahmen aus dem Börsengang der comdirekt bank haben die Telekom-Tochter T-Online nicht in die Gewinnzone gehoben. In den ersten neun Monaten 2000 lag der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) bei 14,35 Millionen Euro. Ohne diese Sondereinnahme wäre sogar ein Verlust von 53,5 Millionen Euro aufgelaufen. Dies teilte das Unternehmen bei der Vorstellung des endgültigen Geschäftsberichts für die ersten drei Quartale am heutigen Donnerstag in Darmstadt mit. Schon bei der Vorstellung der vorläufigen Zahlen Anfang November nannte der T-Online-Vorstand als Grund für das schwache Ergebnis unter anderem die Einführung der Flatrate. Im gleichen Atemzug rechtfertigte das Unternehmen jedoch den Pauschaltarif "als Instrument zur Neukunden-Gewinnung und Kundenbindung".

Der Konzernumsatz stieg in Jahresfrist um 86,5 Prozent auf 542,64 Millionen Euro. Zum Umsatzwachstum trugen die zugekauften Auslandsfirmen wie Club Internet in Frankreich oder Ya.com in Spanien mit 31,6 Millionen Euro bei. Ohne Zukäufe wäre der Umsatz um 75,6 Prozent gestiegen. Der Börsengang der comdirect bank brachte dem Onlinedienst 39,2 Millionen Euro in die Kassen. Dabei sank die Beteiligung der T-Online an der Direktbank von 25 auf 21,35 Prozent.

Die Zahl der Kunden in Europa nahm um 82,9 Prozent auf 7,04 Millionen zu. In Deutschland surfen 5,98 Millionen Internet-Nutzer über T-Online. Außerhalb Deutschland kann T-Online International über die Beteiligungen oder Töchter mehr als eine Million Surfer verzeichnen, davon 520.000 in Frankreich, 60.000 in Österreich und 480.000 in Spanien und Portugal.

Trotz der guten Mitgliederentwicklung hat der neue T-Online-Vorstand Thomas Holtrop also einiges zu tun, um den Online-Dienst in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Auch die in letzter Zeit wegen des sinkenden Aktienkurses verägerten Anleger wollen besänftigt werden: Schließlich steht das Papier weit entfernt von seinem 52-Wochen-Hoch, das bei 48 Euro lag. Am heutigen Donnerstag bröckelte der Kurs bis zum Mittag weiter ab und sank bislang um 3,23 Prozent auf 16,50 Euro; zwischenzeitlich erreichte das Papier sogar ein Tief von 15,50 Euro. Damit liegt die Aktie weit unter dem Ausgabepreis von 27 Euro.

Immerhin aber ist T-Online International der größte Internet-Anbieter in Europa. Die Tochter der Deutschen Telekom rangiert auch in Deutschland auf Platz Nummer eins. Den Abstand zum Konkurrenten AOL konnte T-Online sogar weiter ausbauen. Der weltgrößte Onlinedienst, AOL, hat knapp vier Millionen europäische Kunden, davon zwei Millionen in Deutschland. Analysten sahen allerdings vor allem in der Führungskrise einen Grund für die schlechte Wertentwicklung. Der T-Online Chef Wolfgang Keuntje hatte im August sein Amt niedergelegt; drei seiner Vorstandskollegen verließen das Unternehmen später. Erst zum 1. Januar 2001 wird Keuntjes Stuhl neu besetzt: eben mit dem Marketingexperten Thomas Holtrop.

Auf dem Börsenparkett und unter Beobachtern löste die Ernennung allerdings Überraschung aus. Schließlich berief der Telekom-Aufsichtsrat einen branchenfremden Manager zum Vorstandsvorsitzenden. "Damit hätte ich nicht gerechnet", sagte Theo Kitz von der Privatbank Merck Finck & Co gegenüber dpa. Viele hätten sich wohl einen Kandidaten aus der New Economy gewünscht, meinte Kitz. Der Druck auf Sommer sei offenbar sehr groß gewesen, die Tochter nicht länger führungslos vor sich hin dümpeln zu lassen, meinte Telekom Analyst Marcus Schmitz von Hauck & Aufhäuser. Ralf Hallmann von der Berliner Bankgesellschaft hielt die Berufung von Holtrop dagegen keineswegs für eine Verlegenheitslösung. Der künftige T- Online-Chef sei zwar kein ausgewiesener Internetfachmann, verfüge aber über internationale Erfahrung. Außerdem würden Finanzaktivitäten über das Internet künftig ein wichtiger Geschäftsfaktor sein.

Jetzt komme es darauf an, T-Online auf die Bereiche Inhalte und E-Commerce zu konzentrieren, sagte Markus Glockenmeier von Frankfurter Delbrück Privatbankiers. Die Führungskrise bei T-Online sei mit der Berufung keineswegs schon gelöst: Wichtig sei aber, dass endlich ein Vorstand gefunden worden sei, betonte der Telekom-Analyst. (jk)