Telekom-Chef Ricke geht nach Eklat im Aufsichtsrat

Zur Vorstellung der Halbjahreszahlen am Donnerstag schien Kai-Uwe Ricke noch guter Dinge. Doch danach soll es hinter der Kulissen gekracht haben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Lessmann
  • Martin Murphy
  • dpa

Eigentlich war die Vertragsverlängerung von Kai-Uwe Ricke als Telekom-Chef nur noch eine Formalität. Das glaubten zumindest jene, die den Vorstandsvorsitzenden locker und gut gelaunt bei der Präsentation der Halbjahreszahlen vor wenigen Tagen in Bonn erlebten. Der sonst so nüchtern wirkende Konzernchef ließ sich gar zu der Bemerkung hinreißen: "Es macht wieder richtig Spaß, mit den Wettbewerbern auf Augenhöhe zu konkurrieren." Nach der Pressekonferenz folgte auf einem informellen Treffen des Aufsichtsrats dann der Eklat, der zur Ablösung von Ricke führte.

Der Vorstandschef, der genau vor vier Jahren als Nachfolger von Ron Sommer an die Telekom-Spitze gerückt war und zum zehnjährigen Jubiläum der T-Aktie geschasst wird, hatte am vergangenen Donnerstag über die ersten Erfolge bei der Umsetzung der neuen Strategie berichtet. Die Tarifreform komme bei den Kunden gut an. Schließlich hatte die Telekom in den ersten drei Quartalen 1,5 Millionen Kunden an die Wettbewerber verloren.

Ricke benötigte dringend Erfolgsmeldungen, denn seit der Gewinnwarnung im August sägte Blackstone informierten Kreisen zufolge an seinem Stuhl. Der Finanzinvestor, mit 4,5 Prozent der größte T-Aktionär nach dem Bund, war schockiert über den Kurseinbruch am Tag der Gewinnwarnung. "Ein professionellerer Vorstand hätte zuvor Signale an die Börse gesendet und damit einen Einbruch vermieden", heißt es im Umfeld von Blackstone.

Rickes Ansicht, dass mit den neuen Bündeltarifen die Wende im darbenden Festnetzgeschäft geschafft sei, stieß bei Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel auf taube Ohren, heißt es in Konzernkreisen. Zumwinkel verwies auf dem Aufsichtsratstreffen stattdessen auf den anhaltend hohen Kundenabgang bei T-Com – mit einer halben Million im Sommerquartal blieb dieser unverändert hoch. "Da hat es richtig gekracht zwischen Zumwinkel und Ricke." Zumwinkel hatte zuvor interne Forderungen nach einem Rauswurf von Ricke stets abgelehnt. Nach der Aufsichtsratssitzung war damit Schluss. Seit Freitag mehrten sich dann die Berichte, wonach Sparten-Vorstand René Obermann seinen Weggefährten Ricke ablösen wird.

Auf Obermann wartet eine breite Palette von Probleme bei Europas größtem Telekomkonzern. Sorgenkind ist vor allem das Deutschlandgeschäft, das quer durch alle Bereiche (Mobilfunk, Festnetz und Geschäftskunden) Rückgänge verzeichnet. Vor allem die Festnetzsparte T-Com leidet unter dem harten Wettbewerb, der vom Regulierer und von Bundesregierung gewollt ist. Die Zwickmühle ließ Ricke wenig Platz zum agieren, was auch seinem Amtsnachfolger zu schaffen machen wird. "Egal wer Vorstandsvorsitzender der Telekom wird, die regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen machen es nicht leicht", sagt Martin Gutberlet von der Marktforschungsgesellschaft Gartner.

Obermann gilt aber als weniger zögerlich als Ricke. So wird Ricke die späte Einführung der Bündeltarife angekreidet. Rickes Amtsführung haftet an, dass er Probleme am liebsten aussitzt. Bei T-Mobile hat Obermann schon bereits bewiesen, dass er unliebsame Entscheidungen, wie einen Abbau von Stellen, möglichst schnell angeht. Mit einem milliardenschweren Sparprogramm, das den Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen umfasste, reagierte er früh auf den Abschwung des deutschen Mobilfunkmarkts. Durch das schnelle Eingreifen baut er nach Ansicht von Experten drastischere Einschnitte vor.

Trotz einem Stellenabbau bei T-Mobile genießt Obermann großes Vertrauen bei den Arbeitnehmern. "Wir waren froh als Obermann die Führung über die T-Punkte von T-Com-Chef Walter Raizner übernahm", sagt ein Betriebsrat. Dieses Vertrauen wird Obermann helfen bei der Führung des Bonner Riesen. Den Mitarbeitern muss er Zugeständnisse wie einen Lohnverzicht und längere Arbeitszeiten abtrotzen, um besser im Wettbewerb bestehen zu können. Die Gewerkschaft ver.di hat bereits harten Widerstand angekündigt. Obermann wird also schon bald seine erste Bewährungsprobe bestehen müssen. (Peter Lessmann, Martin Murphy, dpa) / (anw)