Telekom-Chef Ron Sommer gibt nicht auf

Ron Sommer hält seine Unternehmensstrategie nach wie vor für richtig. Der angeblich für die Nachfolge favorisierte Technik-Vorstand Gerd Tenzer wird derweil als Übergangskandidat gehandelt.

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Von
  • Jürgen Kuri

Wahlkampf hin, Machtkampf her: Telekom-Chef Ron Sommer hält seine Unternehmensstrategie nach wie vor für richtig und wartet ab, mit welcher Begründung ihn der Aufsichtsrat ablösen will, hat dpa aus informierten Kreisen erfahren. Nach dem deutschen Aktienrecht muss ein "wichtiger Grund" für eine Abberufung vorliegen. Dazu gehören grobe Pflichtverletzungen, die Nichtgeschäftsfähigkeit oder der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Eine Variante wäre eine einvernehmliche Vertragsauflösung, der Sommer aber zustimmen müsste. Sein Vertrag läuft bis 2005. Sommer wird nach dpa-Informationen am Dienstag persönlich vor dem Aufsichtsrat seine Konzern-Strategie verteidigen. Sommer und der Vorstand sollen in der Sondersitzung des Gremiums die Gelegenheit erhalten, die jüngsten Unternehmenszahlen und die Zukunftschancen der Telekom darzustellen.

Nach übereinstimmenden Medienberichten gilt Vorstandsmitglied Gerd Tenzer als Favorit für die Nachfolge , falls es tatsächlich zu einer Ablösung von Sommer an der Spitze des größten europäischen Telekommunikations-Unternehmens kommen sollte. Darauf hat sich angeblich der Konzern-Aufsichtsrat verständigt. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es auch am Sonntag allerdings nicht. Tenzer sei Wunschkandidat der Arbeitnehmerseite und der Regierung, hieß es. Der 20-köpfige Aufsichtsrat soll das SPD-Mitglied nach diesen Berichten am kommenden Dienstag in einer Sondersitzung in Bonn wählen. Telekom-Finanzchef Karl-Gerhard Eick dementierte derweil, dass er gemeinsam mit Tenzer eine Doppelspitze bilden wolle.

In der Politik, die die Auseinandersetzungen um den Telekom-Chef in den Wahlkampf gezogen hatte, wechselten derweil die Positionen immer wieder. Nachdem zuerst Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Bild-Gespräch wegen der Geschehnisse bei der Telekom angegriffen und ihm Untätigkeit vorgeworfen hatte, wollte sich Schröder offensichtlich anfangs als "Macher" auch bei der Telekom präsentieren. Inzwischen aber bestreitet Schröder jede Einflussnahme bei der Telekom, während die CDU/CSU der Regierung eben diese Einflussnahme vorwirft. Gleichzeitig gerät die Bundesregierung wegen dilettantischer Behandlung der Auseinandersetzung um Sommer unter Beschuss.

Die CDU/CSU-Opposition kritisierte die Auswahl des neuen Kandidaten für die Sommer-Nachfolge. Stoiber sagte, eine Wahl Tenzers zum Telekom-Chef wäre keine "1A-Lösung". CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, nannte ein Votum für SPD-Mitglied Tenzer falsch. Schröder selbst betonte, natürlich werde er über die Vorgänge bei der Telekom informiert, aber über Personalfragen müsse der Aufsichtsrat entscheiden. Der Aufsichtsrat "muss Vertrauen in den Vorstandsvorsitzenden haben, und wenn er das nicht mehr hat, muss er Entscheidungen treffen", zitierte der Berliner Tagesspiegel den Kanzler.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs warnte inzwischen vor einem Führungswechsel bei der Telekom. Dies werde negative Auswirkungen für das Unternehmen und die Aktionäre haben, zitierte die Welt am Sonntag aus einem Brief der renommierten Bank an den Aufsichtsrat. Allgemein wird Technik-Vorstand Tenzer als Übergangskandidat angesehen. Der 59-Jährige ist bei der Telekom für Technik und Produktion verantwortlich. Bereits vor vier Jahren war er einmal als Thronfolger ins Spiel gebracht worden. Damals hatte der Diplom-Ingenieur aber betont, er sei eher ein Mann für die zweite Reihe. Der Zwei-Meter-Mann gilt bei Mitarbeitern als "Seele des Konzerns".

Der 1943 in Baden-Baden geborene Tenzer studierte Nachrichtentechnik in Aachen. Seine berufliche Laufbahn begann im Ulmer Forschungsinstitut von AEG-Telefunken. 1970 wechselte er zur Deutschen Bundespost und stieg dann im Bundespostministerium zum Leiter des Referats für Fernmeldepolitik auf. Seit 1990 sitzt Tenzer im Telekom-Vorstand und kümmert sich unter anderem um den Bereich Netze. Der Vorsitzende des Verbands der Elektrotechnik (VDE) gilt als "Technik-Freak", der technische Abläufe bis ins kleinste Detail kennt. Was Tenzer anders als Sommer machen soll, spielte allerdings bislang in den öffentliche Äußerungen von Politik und interessierten Beteiligten an der Auseinandersetzung um Ron Sommer keine allzu große Rolle. (jk)