The Kill Cloud: Wenn die Drohne zuschlägt und das Internet tötet

Seite 2: "Feinde effizienter zu umgehen und in Stücke zu sprengen"

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Der einstige Kommunikationstechniker bei der US Air Force hatte bereits 2016 auf einer Hackerkonferenz Drohnenschläge als gamifizierten "Meuchelmord" beschrieben. Er habe 2009 in Afghanistan geholfen, den Kern der dafür benötigten globalen Kommunikationsinfrastruktur – also die Kill-Cloud – zu errichten. Es handle sich um das System, das Flugzeuge und Drohnen bei der Übermittlung von Bildern, abgesicherter Sprachübertragung, Zielinformationen, Radarbildern und weiträumiger Überwachung über einen geosynchronen Satelliten an die kombinierte Operationszentrale in Katar unterstützte, um die Einheiten zu lenken sowie "Feinde effizienter zu umgehen und in Stücke zu sprengen".

Cian Westmoreland am Freitag auf der Konferenz "The Kill Cloud" des Disruption Network Lab in Berlin.

Eine wichtige Rolle als Relaistation habe dabei die Air Base Ramstein gespielt, berichtete Westmoreland. Der hiesige US-Stützpunkt diene als "Auge des Adlers", das vor allem Verbindungen mit kommerziellen Satelliten herstelle. Er persönlich habe in dieser ausgewachsenen Network-Centric Warfare beobachtet, "wie die Kampfmanager entschieden, welche Fluggeräte die Bomben abwerfen, welchen Anflugwinkel sie haben und welche Feuerlast sie einsetzen sollten".

Auf Basis von SIM-Karten von Mobiltelefonen oder einfach nur einem Aktivitätsmuster, das aus weiter Ferne verdächtig erscheine, würden im Drohnenkrieg Menschen in die Luft gesprengt, kritisierte der Aussteiger. Treffe es die Falschen, könne man sich immer damit herausreden, "die korrekten Verfahrensvorgaben" befolgt zu haben. In seinem Fall habe er daran mitgewirkt, über 200 Leben auszulöschen. Vermutlich seien viele unschuldige Zivilisten darunter gewesen.

Seit seiner aktiven Zeit beim Militär hat sich die auf mobile Hochgeschwindigkeitsverbindungen angewiesene Kill-Cloud laut Westmoreland weiterentwickelt. Im Dezember 2019 "taten sich die US Air Force und das Raumfahrtkommando mit mehreren Unternehmen, darunter SpaceX, zusammen, um ihre fortschrittlichen Gefechtsmanagementfähigkeiten zu demonstrieren". Bei der Übung habe sich ein AC-130 Gunship mit Elon Musks Satelliteninternet Starlink verbunden und so einem Tarnkappen-Kampfflugzeug F-35 eine sichere Kommunikation mit einem Luftüberlegenheitsjäger F-22 ermöglicht.

Im August 2020 sei Starlink zur Koordinierung der verschiedenen Boden- und Luftstreitkräfte in Yuma/Arizona und auf der Andrews Air Foces Base in Washington DC eingesetzt worden, spann der Ex-Militär den Bogen weiter. Sie seien in der Lage gewesen, ein Objekt abzuschießen, das einen Marschflugkörper simuliert habe. Zum Einsatz gekommen seien hier auch 5G-Funkmasten und ein Roboterhund von Ghost Robotics, der über 1200 Meter weit schießen könne.

Nicht verwunderlich ist für Westmoreland so, dass Musk jüngst Bitten der ukrainischen Regierung nach Starlink-Terminals sofort nachkam. SpaceX ist für ihn ein militärischer Ausrüster wie Lockheed, Boeing, Airbus oder Raytheon. Die Firma stehe kurz davor, als erste weltweit wiederverwendbare Raketen zu nutzen, die gut 100 Tonnen Fracht in 30 Minuten an jeden Ort der Welt transportieren könnten. Er warf daher die Frage auf: "Was würde es für die EU, Russland, China oder jede andere Nation bedeuten, wenn die USA in der Lage wären, in einem Monat mehr Infrastruktur in den Weltraum zu bringen, als bisher die gesamte Welt in der Menschheitsgeschichte?" Für ihn sei es wahrscheinlicher, dass dieses System "als Waffe" verwendet werde als für die Besiedlung des "toten Planeten" Mars.

Jack Poulson, Gründer des Transparenzportals "Tech Inquiry" und einstiger Mitarbeiter in Googles Abteilung für Künstliche Intelligenz (KI), gab Einblicke in das Firmengeflecht rund um das umstrittene militärische KI-Projekt Maven. Sein früherer Brötchengeber hatte sich 2018 aufgrund ethischer Bedenken aus der US-Initiative zurückgezogen. Laut Poulson war der Beitrag Googles aber nur unter "ferner liefen".

Den zwei einschlägigen Ausschreibungsprojekten "Pavement" und "Kubera" zufolge gehörten zu den Unterauftragsnehmern neben Rüstungskonzernen und der auf biometrische Gesichtserkennung spezialisierten Firma Clarifai etwa Microsoft, Amazon AWS, Palantir, IBM und CrowdAI, hob Poulson hervor. Über mehrere Ecken mischten zudem SAP National Security Services (NS2) und die Carnegie Mellon University mit. Prinzipiell gehe es darum, unterschiedlichste Datenquellen wie Standortinformationen und offene Internetangaben zusammenzuführen und Erkenntnisse daraus Individuen mit automatisierten Erkennungsmethoden, Drohnen, Satellitenbildern und Netzüberwachung personenbezogen zuzuordnen.

(bme)