Wie die mächtige SpaceX-Rakete das Sonnensystem erobern könnte

Bald will Elon Musks Firma mit dem Starship die bislang größte Rakete aller Zeiten ins All schießen. Forscher träumen schon von Flügen zum Neptun.

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(Bild: SpaceX)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jonathan O'Callaghan
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Läuft alles nach Plan, wird SpaceX im Januar die größte Rakete in der Geschichte der Menschheit ins All schießen. Mit einer Höhe von über 120 Metern soll das Starship NASA-Astronauten zum Mond bringen. Der CEO von SpaceX, Elon Musk, hat indes noch größere Ambitionen: Er möchte die Rakete nutzen, um Menschen auf dem Mars anzusiedeln.

Über die Möglichkeiten von Starship für die bemannte Raumfahrt ist bereits viel geschrieben worden. Doch die Rakete könnte auch unser Wissen über unsere Nachbarplaneten und deren Monde revolutionieren. "Starship könnte die Art und Weise, wie wir das Sonnensystem erforschen, völlig verändern", sagt Ali Bramson, Planetenwissenschaftlerin an der Purdue University. "Die Planetenforschung wird geradezu explodieren."

Wenn das Raumfahrzeug den in es gesetzten Ansprüchen gerecht werden sollte, sprechen Wissenschaftler bereits über die Entsendung von Missionen zum Neptun und seinem größten Mond im äußeren Bereich des Sonnensystems, über die Rückführung riesiger Mengen von Weltraumgestein vom Erdenmond und vom Mars und sogar über die Entwicklung innovativer Methoden zum Schutz der Erde vor Asteroideneinschlägen.

Starship – das an einem texanischen Standort mit dem Namen "Starbase" gebaut wird – besteht aus einem großen Raumschiff auf einer mächtigen Trägerrakete, der sogenannten Super Heavy. Beide können wieder auf der Erde landen, sodass sie wiederverwendet werden können, was die Kosten senkt. Das gesamte Raumfahrtsystem wird in der Lage sein, 100 metrische Tonnen Fracht inklusive Menschen auf regelmäßigen, kostengünstigen Missionen ins All zu befördern. Das Volumen des nutzbaren Raums im Starship beträgt satte 1.000 Kubikmeter – groß genug, um den gesamten zerlegten Eiffelturm unterzubringen. Das lässt viel Raum für Fantasie. "Starship ist einfach wow", sagt etwa James Head, ein Planetenforscher der Brown University.

Mitte November sprach Musk bei einer öffentlichen virtuellen Sitzung über Starship, die von den US National Academies of Sciences, Engineering and Medicine veranstaltet wurde, über das wissenschaftliche Potenzial des Projekts. "Es ist extrem wichtig, dass wir versuchen, so schnell wie möglich zu einer multiplanetaren Spezies zu werden", sagte er. "Auf dem Weg dorthin werden wir eine Menge über die Natur des Universums lernen." Das neue Raumschiff könnte auf seinen Flügen "eine Menge wissenschaftlicher Instrumente" mitführen, sagte Musk – weit mehr, als derzeit möglich ist. "Wir werden enorm viel lernen, im Vergleich zu relativ kleinen Fahrzeugen mit begrenzten wissenschaftlichen Instrumenten, wie wir es derzeit tun", sagte er. "Man könnte ein 100 Tonnen schweres Objekt auf die Oberfläche von Europa bringen", träumt Musk.

SpaceX' Starship (7 Bilder)

Elon Musk

SpaceX-Chef Elon Musk am Fuße des ersten Starship-Prototypen in Boca Chica, Texas
(Bild: Screenshot)

Im Mittelpunkt vieler dieser Ideen steht, dass Starship nicht nur groß, sondern auch günstig im Einsatz sein wird. Während Raumbehörden wie die NASA und die ESA sorgfältig einige wenige Missionen auswählen müssen, die sie finanzieren wollen und deren Startkosten im zwei- oder dreistelligen Millionen-US-Dollar-Bereich liegen, könnte die Erschwinglichkeit von Starship die Tür zu vielen weiteren Missionen öffnen. "Die niedrigen Zugangskosten ins All haben das Potenzial, das Spiel für die wissenschaftliche Forschung wirklich zu verändern", sagt Andrew Westphal, Dozent für Physik an der University of California, Berkeley. Die Kosten für einen Start könnten bei nur 2 Millionen Dollar liegen. "Man kann sich privat finanzierte Missionen und Konsortien von Bürgern vorstellen, die sich zusammenschließen, um Dinge ins All zu fliegen."

Darüber hinaus hat Starship einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen in der Entwicklung befindlichen Schwerlastraketen wie dem bereits stark verzögerten Space Launch System (SLS) der NASA und der Rakete New Glenn von Blue Origin. Die obere Hälfte der Rakete ist so konstruiert, dass sie in der Erdumlaufbahn von anderen Starships aufgetankt werden kann, so dass ein größerer Teil des Schubes für wissenschaftliche Ausrüstung statt für Treibstoff verwendet werden kann. Um Menschen zum Mond zu bringen, wären beispielsweise acht separate Starts möglich, wobei jedes aufeinander folgende "Tanker-Spaceship" Treibstoff für das "Mond-Spaceship" mitbringt, das sich dann mit wissenschaftlicher Ausrüstung und Besatzung auf den Weg zum Mond macht.

Die Wissenschaftler träumen bereits von den Möglichkeiten, die ihnen Starship bieten könnte. Anfang 2021 veröffentlichte Jennifer Heldmann vom NASA Ames Research Center einen Artikel, in dem sie einige der wissenschaftlichen Ideen untersuchte, die sich durch Starship-Missionen zum Mond und Mars ergeben könnten. Ein großer Vorteil besteht darin, dass Starship die Ausrüstung in voller Größe von der Erde aus mitnehmen könnte – ohne sie verkleinern zu müssen, damit sie in ein kleineres Fahrzeug passt, wie es bei den Apollo-Missionen zum Mond erforderlich war. "Man könnte zum Beispiel eine Bohranlage mitnehmen", sagt Heldmann. Man könnte einen Kilometer tief bohren, wie wir es auf der Erde tun. Das würde einen noch nie dagewesenen Zugang zum Inneren von Mond und Mars ermöglichen, wo Eis und andere nützliche Ressourcen vermutet werden. Früher wäre eine solche Idee "ein bisschen verrückt" gewesen, sagt Heldmann. Aber mit Starship "könnte man das machen und hätte trotzdem noch Platz", fügt sie hinzu. "Was wollen Sie noch mitnehmen?"

Da Starship auf der Erde landen kann, wird es theoretisch auch in der Lage sein, große Mengen an Material mitzunehmen. Die schiere Menge an Proben, die von verschiedenen Orten zurückgebracht werden könnten, würde den Wissenschaftlern auf der Erde einen nie dagewesenen Zugang zu außerirdischem Material ermöglichen. Dies könnte Licht in eine Vielzahl wissenschaftlicher Rätsel bringen, wie etwa die vulkanische Geschichte des Mondes oder die Frage nach dem Leben und der Astrobiologie auf dem Mars, sagt Heldmann. Starship könnte auch extravagantere Missionen zu anderen Orten ermöglichen, entweder durch einen direkten Start von der Erde oder vielleicht durch die Nutzung von Mond und Mars als Tankstellen – eine ehrgeizige Zukunft, die Musk durchaus vorschwebt.