Twitter soll in Indien für Nutzer-Content haften

In Indien will die Regierung weiter gegen unliebsame Äußerungen auf Twitter vorgehen und nimmt den Dienst rechtlich für Nutzer-Content in Haftung.

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(Bild: Brett Jordan / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
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Twitter ist künftig für die in Indien über den Mikro-Blogging-Dienst geposteten Inhalte seiner Nutzerinnen und Nutzer rechtlich verantwortlich und haftet gegebenenfalls dafür. Dies geht aus einer gerichtlichen Einreichung der indischen Regierung von Montag hervor. Das verantwortliche indische IT-Ministerium sah die im Mai an Twitter adressierten Auflagen des neu geschaffenen IT-Gesetzes als nicht erfüllt an.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sei die gerichtliche Einreichung eine Reaktion auf die Vorwürfe eines Twitter-Nutzers gewesen, der sich von Tweets anderer Nutzer diffamiert sah. Außerdem habe Twitter keinen Chief Compliance Officer, keinen Beschwerdebeauftragten und keine Kontaktperson als direkten Ansprechpartner für Strafverfolgungsbehörden eingerichtet. Sie sollten rund um die Uhr verfügbar sein und auf Anfragen reagieren.

Die indische Regierung sieht den bisherigen Schutz von Twitter, nicht für die geposteten Inhalte seiner Nutzergemeinschaft verantwortlich zu sein, als aufgehoben an. Dies gelte ab dem 05. Juli 2021. Bisher galt in Indien wie in anderen Staaten auch, dass allein Nutzerinnen und Nutzer für die Inhalte ihrer Tweets rechtlich verantwortlich sind. Twitter musste zwar auf Anweisung Tweets entfernen, die etwa strafrechtlich relevant sein könnten, blieb aber selbst straffrei. Verantwortlich waren in solchen Fällen ausschließlich die Nutzer, die den Tweet abgesetzt hatten. Das soll nun nicht mehr gelten. Der indische IT-Minister Ravi Shankar Prasad sagte, dass es nicht richtig sei, dass Unternehmen einen besonderen Schutz genießen.

"Das Problem ist der Missbrauch von sozialen Medien", sagte Prasad nach Angaben von Techcrunch. Twitter könne sich nicht dahinter verstecken, dass US-amerikanische Gesetz für sie gelten. Wer in Indien tätig ist und "gutes Geld" verdient, muss sich auch an indische Gesetze halten. Zugleich bestritt Prasad, dass die Maßnahmen gegen Twitter dazu dienen sollen, um so besser über die Plattform geäußerte Kritik an der indischen Regierung unterdrücken zu können: "Alle Social-Media-Plattformen sind in Indien willkommen, um Geschäfte zu machen. Sie können Ravi Shankar Prasad kritisieren, meinen Premierminister oder jeden anderen."

Doch die jüngste Vergangenheit zeigt, dass Regierung und Behörden nicht besonders gut mit Kritik an ihnen und ihrer Politik umgehen können und unliebsame Stimmen auf Twitter unterdrücken wollen. So wurden nach wochenlangen Protesten von indischen Bauern im Februar in mehreren indischen Distrikten teilweise das Internet blockiert und mehrere hundert Twitter-Accounts gesperrt. Über mehr als 200 dieser Accounts sollen Gewaltaufrufe stattgefunden haben. Die Bauern und andere in der Landwirtschaft tätigen Menschen kritisierten neue Gesetze, die ihre ökonomische Sicherheit beeinträchtigen könnten. Zunächst von Twitter gesperrte Accounts von Nachrichtenseiten, Journalisten und Prominenten waren dann in Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung wieder freigegeben worden. Die indische Regierung forderte daraufhin Twitter auf, die Sperrungen wiederherzustellen, andernfalls sollten rechtliche Schritte gegen Mitarbeiter in Indien eingeleitet werden.

Im April forderte die indische Regierung Twitter per Notfall-Weisung dazu auf, Tweets zu löschen, die sich kritisch zu den Maßnahmen der Regierung und Behörden zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie äußerten. Unter den gelöschten Tweets waren auch solche von Politikern, Schauspielern und Filmemachern sowie eines Landesministers. Normalerweise werden lediglich Tweets mit falschen oder gefährlichen Angaben zu Covid-19 gelöscht. Auch an Facebook war eine entsprechende Anweisung gegangen. Zusätzlich sollten Betreiber sozialer Netzwerke sicherstellen, dass die Urheberinnen und Urheber der Nachrichten an die Behörden weiterleiten können. Auch der Messenger Whatsapp ist davon betroffen und legte Klage ein.

Rechtsexperten bezweifeln nach Angaben von Reuters allerdings, dass die Anordnung der indischen Regierung überhaupt rechtlichen Bestand hat. Dies müssen letztlich indische Gerichte entscheiden. Twitter wollte sich zunächst nicht zu dem Vorgang äußern.

(olb)