Twitter sperrt versehentlich News-Accounts, dementiert russischen Einfluss
Am Vorabend des Kriegs Russlands gegen die Ukraine sperrte Twitter einige OSINT-Accounts, die Nachrichten dazu verbreitet hatten.
Twitter hat am Mittwoch offenbar mehrere Accounts gesperrt, die aktuelle Nachrichten über russische Militärbewegungen verbreitet hatten. Twitter-Nutzer aus der OSINT-Community – die auch als "Netzforensiker" bezeichnet werden – hatten sich darüber beschwert, dass einige ihrer Konten von den Sperrungen betroffen seien.
Yoel Roth, der bei Twitter für die Integrität der Plattform verantwortlich ist, führte in einem Tweet die Sperrungen auf "menschliche Fehler" zurück. Die Accounts seien aber nicht blockiert worden, weil sie zuvor massenhaft gemeldet worden seien. An dem Problem arbeite Twitter.
Roth hatte mit seinem Tweet auf eine Beschwerde des US-amerikanischen Twitter-Nutzers Eli Durado geantwortet. Dieser hatte den Verdacht geäußert, von russisch kontrollierten Twitter-Accounts seien massenhaft Beschwerden an die Plattform ergangen, woraufhin die News-Accounts automatisch für zwölf Stunden gesperrt worden seien. Twitter müsse die OSINT-Accounts besser schützen. Weiter wurde aus der OSINT-Community der Verdacht geäußert, es könne kein Zufall sein, dass diese Accounts kurz vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine gesperrt wurden.
OSINT auch beim BND
Von den Sperrungen betroffen war unter anderem Kyle Glen, der den Twitter-Account @Conflicts betreibt und @TheOsintBunker mitbetreibt. Ăśber @Conflicts werden Nachrichten aus Konfliktgebieten weltweit verbreitet, aktuell aus der Ukraine.
Bei OSINT – Open Source Intelligence – geht es darum, Nachrichten aus frei zugänglichen Quellen wie Massenmedien und dem Internet, aber auch Foto-Datenbanken und Telefonverzeichnissen zu sammeln, möglichst Primärquellen wie Augenzeugenberichte, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Sammlung von Werkzeugen, mit deren Hilfe zum Beispiel Desinformationen identifiziert werden sollen, bietet beispielsweise OSINT-Essentials an.
OSINT wird beispielsweise auch von Nachrichtenagenturen wie AFP genutzt, um Faktenchecks zu betreiben. OSINT soll dabei geholfen haben, russische Geheimdienstoffiziere zu identifizieren, die den Anschlag auf russischen Informanten Sergei Wiktorowitsch Skripal in GroĂźbritannien verĂĽbt haben sollen.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) nutzt OSINT, um beispielsweise Informationen aus Fachzeitschriften und Datenbanken zu gewinnen, darüber hinaus suchen Spezialisten des BND mit Recherchetools in der Flut von offenen Informationen die für den Nachrichtendienst relevanten Inhalte. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen suchte Ende 2020 OSINT-Experten, die auf Facebook, Twitter oder Instagram Informationen recherchieren sollten, um die Kollegen im Einsatz zu unterstützen. OSINT wird auch für die Sicherheitanalyse von IoT-Geräten eingesetzt.
Angriff auf die Ukraine
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am frühen Donnerstagmorgen einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell angeordnet. Später hieß es aus Moskau, die russische Armee führe Angriffe mit "Hochpräzisionswaffen" aus. Dabei würden in der gesamten Ukraine auch vom Meer und von Belarus aus militärische Infrastruktur, Einrichtungen zur Luftverteidigung, Militärflugplätze und die Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte außer Gefecht gesetzt. Ziel des russischen Militäreinsatzes sei nicht, die Ukraine zu besetzen, sondern der Schutz von Menschen vor einem Völkermord, heißt es aus Moskau.
Nach Augenzeugenaussagen sollen auch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Explosionen vernommen worden sein. Von ukrainischer Seite wird auch von Bewegungen russischer Kräfte auf ukrainischem Boden berichtet, beispielsweise von der Krim aus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit Zustimmung des Parlaments das Kriegsrecht verhängt, er geht davon aus, dass Russland die Ukraine "zerstören" wolle. "Wir sind stark. Wir sind zu allem bereit. Wir werden siegen", hieß es weiter von Selenskyj. Vor dem Angriff Russlands wurde befürchtet, etwa 5 Millionen Menschen könnten in oder aus der Ukraine flüchten.
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach in einer ersten Reaktion von einem "dunklen Tag für Europa". US-Präsident Joe Biden hat den russischen Militärangriff auf die Ukraine scharf verurteilt und der Regierung in Moskau Konsequenzen angedroht, ebenso EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die scharfe wirtschaftliche Sanktionen ankündigte, und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
(anw)