Twitter verteidigt Leselimit: Ex-Manager zweifelt die Begründung an

Dass man nicht mehr unbegrenzt und unangemeldet Tweets lesen kann, wurde scharf kritisiert. Nun verteidigt Twitter den Schritt, überzeugt aber nicht jeden.

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(Bild: kovop58/Shutterstock.com)

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Tage nach der heftig kritisierten Einführung eines Leselimits bei Twitter hat der Kurznachrichtendienst die Entscheidung in einem Blogeintrag verteidigt. Das Business-Team von Twitter erklärt darin, "um Spam und Bots von unserer Plattform" zu entfernen, "müssen wir extreme Maßnahmen durchführen". Man habe die Nutzung deshalb "temporär" begrenzt, um böswillige Akteure "zu finden und zu eliminieren". Eine Vorwarnung hätte es denen nur ermöglicht, dem zu entgehen. Dass die eigenwillige Erklärung im Businessbereich des Twitter-Blogs veröffentlicht wurde, legt nahe, dass Fragen zu der Maßnahme auch von Werbekunden gekommen sind, deren Reichweite potenziell verringert wurde. Die Auswirkungen auf Werbung bei Twitter seien "minimal" gewesen, versichert das Unternehmen.

An höchster Stelle arbeite man daran, die nicht näher bezeichneten Akteure daran zu hindern, öffentlich einsehbare Daten auf Twitter für das Training von KI-Modellen abzugreifen und die Kommunikation auf der Plattform zu manipulieren. Die Einschränkungen würden nur einen kleinen Teil der Nutzerschaft betreffen und man werde Bescheid geben, wenn man damit fertig ist. Auch die Geschäftsführerin von Twitter verteidigte den Schritt und erklärte in einem Tweet, "wenn du eine Mission wie Twitter hast, musst du große Sprünge machen, um die Plattform zu stärken". Schon bei der Einführung des Leselimits am Wochenende hatte Twitter-Eigentümer Elon Musk erklärt, man müsse sich damit eines "extremen Ausmaßes der Datenauslese und Systemmanipulation" erwehren.

Musk hatte am Samstag publik gemacht, dass nicht zahlende Nutzer nur noch 600 Tweets pro Tag lesen dürfen, das Limit wurde später auf 800 und 1000 Tweets erhöht. Zahlende Kunden dürfen demnach 10.000 Posts pro Tag (vorher: 6.000 bzw. 8.000) lesen können. Vorher waren Nutzer ohne Account ausgesperrt worden. Während das Leselimit vor allem Twitters besonders aktive Kernnutzerschaft betroffen hat, traf die Account-Schranke Internetnutzer ohne Account. Unter beiden dürften aber die Zugriffsraten auf bei Twitter geschaltete Werbung leiden, weswegen sich der Dienst nun wohl zu der Erklärung genötigt sah. Auffallend ist, dass das immens geschrumpfte Unternehmen offenbar nicht in der Lage ist, Veränderungen umzusetzen, ohne dass die Funktionsweise dabei beeinträchtigt wird.

Nach Reddit begründet damit jetzt auch Twitter eine extrem unbeliebte Maßnahme mit dem gegenwärtigen KI-Hype. Es gibt aber Zweifel daran, dass Datenabgriffe für das Training Künstlicher Intelligenz tatsächlich so problematisch sind. Yoel Roth war bei Twitter bis zum vergangenen Jahr für Sicherheit und Vertrauen zuständig und meint auf Bluesky, dass er nicht nachvollziehen könne, dass solche Zugriffe plötzlich zu solch dramatischen Leistungsproblemen geführt haben, dass alles hinter einen Log-in gestellt werden musste. Scraping habe es immer gegeben und sei nie ein Problem gewesen. Zwar sei die Kritik von Twitter und Reddit an KI-Firmen nicht völlig unbegründet, aber die Plattformen dürften auch nie vergessen, dass es sich nicht um ihre Daten handelt, sondern um die der Nutzer.

(mho)