Twitter wird Elon Musk wegen Vertragsbruchs verklagen

Twitter nimmt nicht hin, dass Musk von der Übernahme Twitters zurücktritt. Das Unternehmen kündigt eine Klage an und zeigt sich siegessicher.

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Handy zeigt Elon Musks Twitter-Profil, im Hintergrund das Twitter-Logo

(Bild: Shutterstock)

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Twitter plant, Elon Musk zu verklagen, einen der größten Teilhaber des Unternehmens. Damit will das Unternehmen den mit Musk geschlossenen Vertrag über die Komplettübernahme Twitters durchsetzen. Der darin vereinbarte Kaufpreis liegt weit über dem aktuellen Aktienkurs, womit die Übernahme im besonderen Interesse der bestehenden Aktionäre ist.

Mit einem anwaltlichen Schreiben vom Freitag versucht Elon Musk, vom Kaufvertrag über die Twitter-Übernahme zurückzutreten. Er wirft Twitter vor, Auskünfte unvollständig erteilt und Mitarbeitern gekündigt zu haben. Beides sei Vertragsbruch, der ihn zum Rücktritt berechtige. Im nachbörslichen Handel werden Twitter-Aktien um mehr als fünf Prozent günstiger gehandelt. Dabei war schon vor der formellen Mitteilung klar, dass Musk kalte Füße bekommen hat. Bereits im regulären Handel fielen Twitter-Aktien am Freitag um 5,1 Prozent.

Twitter sieht keinen Anlass für Musks Rücktritt: "Wir sind zum Abschluss der Transaktion zu den Preisen und Bedingungen, die wir mit Herrn Musk vereinbart haben, verpflichtet", teilt das Unternehmen mit. "Wir planen rechtliche Schritte, um den Übernahmevertrag durchzusetzen. Wir sind sicher, dass wir vor dem Delaware Court of Chancery obsiegen werden." Die Möglichkeit, die tatsächliche Übernahme zu erzwingen, anstatt nur Schadenersatz zu erlangen, haben die Parteien ausdrücklich im Kaufvertrag vereinbart.

Dort haben sie auch das Gericht des US-Bundesstaates Delaware für zuständig erklärt. Es hat viel Erfahrung in Wirtschafts- und Vertragsdisputen und orientiert sich in erster Linie an Gerechtigkeitsüberlegungen, nicht an geschriebenem Recht. In aller Regel entscheidet ein Einzelrichter, keine Geschworenen. Beides vereinfacht die Verfahrensführung.

Musk hat sich Ende April zum Kauf Twitters verpflichtet, ohne die im Vorfeld üblichen Prüfungen der Firma ("due diligence") durchzuführen. Musk soll 54,20 US-Dollar je Twitter-Aktie zahlen, was Gesamtkosten von zirka 46,5 Milliarden US-Dollar entspricht. Doch nach Abschluss des Vertrags hat der Multimilliardär die Lust an dem Kauf verloren. Zunächst versuchte Musk, den Kaufpreis für Twitter zu drücken. Insbesondere beschuldigte er Twitter, inkorrekte Statistiken über unechte Profile und Spam zu verbreiten.

Nach eigenen Angaben erfreut sich Twitter deutlichen Nutzer-Zuwachses und hatte im März 229 Millionen Nutzer, die sich täglich auf Twitter eingeloggt betätigt haben und die mit Reklame umsatzbringend adressierbar waren (mDAU - monetizable daily active users). Davon seien höchstens fünf Prozent Spammer – ein Wert, den Twitter anhand manuell überprüfter Proben schätzt.

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Musk schließt aus den vielen Belästigungen, die ihm als Prominentem auf Twitter widerfahren, dass der Anteil viel höher sein muss. Darüber ist der Streit zwischen Musk und Twitter entbrannt. Dabei liegt vielleicht gar kein Widerspruch vor: Twitter klammert Profile, die es als unecht oder spammend erkannt hat, aus der mDAU-Statistik aus. Im verbleibenden Rest, so die eigene Schätzung, seien weniger als fünf Prozent unerkannte Spammer. Unter der Gesamtheit aller Konten ist das Anteil selbstredend deutlich höher.

Damit er sich selbst überzeugen kann, gewährte Twitter Musk sogar Zugriff auf den gigantischen "Firehose"-Datenstrom der Mikroblogging-Plattform. Doch der Mann deckte Twitter mit Detailfragen ein, darunter zu Nutzerstatistiken für jeden Tag der jüngsten acht Quartale, zu Positionsbezeichnungen für jeden einzelnen Mitarbeiter, der die Konten der Stichproben überprüft hat, zu User-Interfaces der dabei genutzten internen Programme, zu internen Arbeitsabläufen für die Sperre von Konten wegen Spam einerseits und wegen anderer Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen andererseits, Richtlinien für und Statistiken über die Erkennung von Spammern, Unterlagen aus Verwaltungsratssitzungen zur Spammer-Statistik, und so weiter. Was Twitter übermittelt hat, stellt Musk nicht zufrieden.

Darüber hinaus begehrte Musk Einblick in diverse Finanzunterlagen, mit dem Argument, er benötige diese, um die Finanzierung des Kaufpreises auf die Beine stellen zu können. Auch hier will Musk nicht das bekommen haben, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Gesetzte Fristen seien verstrichen, weshalb er nun zurücktritt.

Seit Beginn beharrt Twitter auf dem Kaufvertrag mit Musk und ist zu keiner Reduktion des Kaufpreises bereit. Das Unternehmen meint, alle Forderungen vertragsgemäß erfüllt zu haben – während es Musk Vertraulichkeitsbruch vorwirft. Verhandlungsangebote keine der beiden Seiten mehr, jedenfalls nicht öffentlich. Das im April überraschend von Musk in Anlauf genommene Übernahmeprojekt steuert auf einen Gerichtsprozess zu.

Dem Aktienkurs hat der Zwist nicht gutgetan. Als Musk Anfang April veröffentlichen musste, 9,1 Prozent der Twitter-Aktien erworben zu haben, schoss der Kurs von gut 39 auf fast 51 US-Dollar. In kurzer Folge legte Musk ein Übernahmeangebot und unterzeichnete bereits am 25. April den Übernahmevertrag. Das trieb die Aktie auf ein neues Hoch von 51,70 Dollar. Doch als wenig später ruchbar wurde, dass Musk nicht mehr so wirklich bei der Stange ist, rauschte der Kurs wieder nach unten.

Ein Monat nach Vertragsabschluss war eine Aktie weniger als 36 Dollar wert. Nach einem kleinen Zwischenhoch Anfang Juni von um die 40 Dollar lag der Kurs Freitagabend zum Schluss des regulären Handels wieder bei 36,81 Dollar. Nach Bekanntwerden des Rücktrittsschreibens Musks stürzte die Twitter-Aktie nachbörslich auf bis zu 33,57 Dollar ab und erholte sich danach nur leicht. Der Ausgang des Gerichtsverfahrens ist offen. Selbst wenn Twitter den Prozess gewinnen sollte, würde geraume Zeit verstreichen, bis die Aktionäre für ihre Anteile Bares sehen.

(ds)