US-Berufungsgericht kassiert Netzneutralitätsauflagen für Comcast

Die Richter gaben in ihrem Urteil dem Einspruch des US-Kabelnetzbetreibers gegen eine Abmahnung der Federal Communications Commission (FCC) Recht. Deren Sanktionsmaßnahme gegen eine Filesharing-Bremse fehle es an einer Rechtsgrundlage.

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Das Berufungsgericht für den District of Columbia im US-Regierungssitz Washington hat am gestrigen Dienstag eine Abmahnung des Kabelnetzbetreibers Comcast durch die Federal Communications Commission (FCC) für nichtig erklärt. Die Anweisung der US-Regulierungsbehörde zum Stopp einer Filesharing-Bremse des Providers und die damit verknüpften Sanktionsmaßnahmen zur Durchsetzung der Netzneutralität entbehrten einer klaren rechtlichen Grundlage, befanden die Richter in ihrem Urteil (PDF-Datei). Die FCC habe mit der Rüge ihre Kompetenzen überschritten.

Die Regulierungsbehörde hatte Comcast in einer knappen 3:2-Entscheidung 2008 bescheinigt, "ungebührlich in die Rechte der Internetnutzer zu rechtmäßigen Inhalten im Netz und zur Verwendung von Applikationen ihrer Wahl eingegriffen" zu haben. Die Blockade des P2P-Netzwerks BitTorrent habe rund um die Uhr stattgefunden, wobei der Provider sämtliche Inhalte seiner Kunden überwacht und gegen Prinzipien des offenen Internets verstoßen habe. Der Anbieter musste daraufhin die Details seiner "Praktiken zum Netzwerkmanagement" offenbaren, einen Plan zur Befolgung der Auflage zum Stopp der Filtermaßnahmen vorlegen sowie seine Informationspolitik überarbeiten.

Comcast ging daraufhin zu einem neuen, nicht auf spezielle Applikationen ausgerichteten Modell des Netzwerkmanagements über, um Lastprobleme in Spitzenzeiten zu vermeiden. Im Sommer vergangenen Jahres erhob der Konzern dann Einspruch gegen den FCC-Beschluss. Die Behörde habe ihre Ermahnungen auf eine "untergeordnete", rein ergänzende Gesetzesautorität gestellt, begründete er die Initiative. Diese sei zu vage, um in dem Fall durchgreifen zu können. Das Berufungsgericht schloss sich dieser Meinung nun weitgehend an. Es befand, dass die FCC ihre in Anspruch genommenen Behelfsbefugnisse nur ausüben dürfe, wenn diese im vernünftigen Maßstab zu ihren Kernverantwortlichkeiten blieben. Dies habe die Behörde in der Auseinandersetzung mit Comcast nicht hinreichend nachgewiesen.

2005 hatte die FCC allgemeine Leitlinien zur Gewährleistung der Netzneutralität aufgestellt. Diese sichern Nutzern Rechte zum Zugang zu gesetzesmäßigen Inhalten, zur Nutzung entsprechender Anwendungen und Dienste sowie zum Anschluss eigener Geräte an ein Netzwerk zu. Zugleich soll damit der Wettbewerb zwischen Netz-, Dienste-, Programm- und Inhalteanbietern gefördert werden. Eine gesetzliche Festschreibung dieser Maßgaben im US-Kongress erfolgte trotz vieler Anläufe nicht. Die Behörde berief sich daher auf § 230 des "Communications Act". Sie habe demnach die Aufgabe, die Einhaltung der "nationalen Internetpolitik-Vorgaben" der USA zu kontrollieren und durchzusetzen.

Im Oktober verabschiedete die FCC einen Entwurf für neue Rahmenbedingungen zur Netzneutralität. Dieser ist aber heftig umkämpft. FCC-Chef Julius Genachowski, der den Demokraten angehört, muss nach dem Richterspruch wohl seine Regulierungspolitik auf eine neue Grundlage stellen oder den Gesetzgeber von der Notwendigkeit überzeugen, doch noch Normen zur Einhaltung des Prinzips des offenen Internets zu verabschieden. Auch die Pläne der Behörde für eine Breitband-Offensive könnten in Bedrängnis geraten. (jk)